Schwerpunkt

Ist Bio Geschmacksache?

Bio- und konventionelle Lebensmittel im Vergleich

von Susanne Aigner

 

Bei der Beurteilung von Geschmack sind Geruch, Textur und Konsistenz maßgebende Kriterien. Doch welche Rolle spielen die Inhaltstoffe? Kann man den Geschmack von Zusatzstoffen und Rückständen in konventionellen Produkten wahrnehmen? Schmecken Bioprodukte besser als konventionelle? Das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) ließ dazu in seiner ECROPOLIS-Studie Tomaten, Joghurt, Äpfel, Öle und Salami in fünf Ländern Europas testen(1). Die meisten Probanden bewerteten die Bio-Lebensmittel am besten, die auch äußerlich als Bio zu erkennen waren. Doch schmeckt man Bio auch, wenn man nicht weiß, dass es Bio ist? Einige Untersuchungen bestätigen das.

Milchprodukte

Glaubt man ECROPOLIS, lieben deutsche Bio-Konsumenten bei Joghurts einen frischen, lang anhaltenden, fermentierten Geschmack und eine feste, leicht im Munde fließende, Konsistenz (2). Bei Milch sind die Ergebnisse relativ eindeutig. In einem Test mit vier Sorten Milch wählten die Probanden mit knapper Mehrheit die biodynamische Milch, gleich danach die Öko-Milch aus dem TetraPak. Ihnen mundete besonders der Creme- und süßliche Sahnegeschmack der Demeter-Milch (3). Auch andere Verkoster beschrieben Biomilch und pasteurisierte Demeter-Milch als rahmiger (4). Nach einer Vergleichsstudie der Stiftung Warentest kommen Bio-Produkte nicht ganz so gut weg, mit Ausnahme von Milch: Sechs von sieben Bio-Milchsorten wurden mit „Gut“ bewertet, hingegen nur fünf von zwölf konventionellen Sorten (5). Den Geschmack von Käse zu testen, ist schwieriger, weil die Sortenvielfalt kaum ein standardisiertes Geschmacksprofil zulässt. Bei Biokäse aus zehn Ökokäsereien wurden die Proben teilweise als bitter und sauer beschrieben, manche sogar ranzig und muffig, zum Teil schmeckte man Butter- und Milcharomen heraus. Die Autoren suchen die Ursachen dafür in Mängeln des komplexen Herstellungsprozesses (6). Auf den Geschmack der Milch wirkt sich auch die Art der Fütterung aus: Biokühe fressen auf der Weide Kräuter, Lupinen und Kleearten, deren Inhaltstoffe in die Milch gelangen. Es bilden sich Antioxidantien, die wiederum Vitamine und ungesättigte Fettsäuren begünstigen – Stoffe, die in Produkten von Kühen ohne Weidegang weniger enthalten sind (7).

Öko-Wurst schmeckt besser

Für die rote Farbgebung in der konventionellen Wurst sind Nitritpökelsalz und Nitrate verantwortlich. Aber schmeckt sie auch besser? Laut ECROPOLIS-Studie bevorzugen deutsche Bio-Kunden Salami mit stark rauchigem Geruch und Geschmack, einer mittelharten Textur, einer relativ dunklen Farbe und einer feinen Körnigkeit, ohne ein fettiges Mundgefühl zu hinterlassen (8). Bei einer Verkostung in sechs Tegut-Filialen begeisterte die Kunden die natürliche Farbe und der pure Geschmack nitritfreier Öko-Brühwürste. Nach Einführung der Öko-Würste erhöhte sich übrigens der gesamte Öko-Anteil in den genannten Läden um 10% (9). Auch bei Geflügel schmeckt Bio besser: Die Stiftung Warentest bewertete drei von fünf Bio-Marken-Produkte mit „gut“ und sensorisch einwandfrei. Das Fleisch roch deutlich nach Geflügel und schmeckte leicht zart und saftig. Acht von 14 konventionellen Produkten fielen durch. Die meisten waren nicht mehr frisch, die Hähnchen von Friki und Norma waren sogar extrem keimbelastet und galten als „verdorben“ (10).

Speiseöle ändern sich

Die Stiftung Warentest fand in ihrem Test von 2010 keinerlei Schadstoffe in Öko-Produkten. Doch besser im Geschmack sei Bio nicht: Während alle vier getesteten Würzöle immerhin mit „Gut“ benotet wurden, fielen die meisten Rapsöle wegen „sensorischer Mängel“ durch (11). Auch das Technologie-Transfer-Zentrum (TTZ) bescheinigte kaltgepressten Öko-Sonnenblumenölen einen ausgeprägten Eigengeschmack mit einer „bitteren, ranzigen Note und kratzigem Mundgefühl“. Anstatt nun diese Öle abzuwerten, empfehlen die Autoren, den Verbraucher an diesen für Bio-Öle angeblich typischen Geschmack zu gewöhnen (12). Acht Jahre später gewannen sie den Vergleich im ECROPOLIS-Test: Den Bio-Ölen wurde hier ein nussartiger, intensiver, getreide- und heu­ähnlicher Geschmack nach Son­nenblumenkernen und ein säuerlicher Geruch nachgesagt (13). Lag es an den anderen Geschmacksvorlieben der Probanden? Oder hat sich etwa die Qualität der Öle verbessert?

Bio-Äpfel sind besser

Laut ECROPOLIS bevorzugen deutsche Bio-Konsumenten Bio-Äpfel mit einer festen, knackigen und saftigen Textur und süßem Geschmack (14). Der Geschmack eines Apfels hängt erfahrungsgemäß meist von der Sorte ab. Doch auch da gibt es Unterschiede: In einer Vergleichsstudie des FiBL mit Äpfeln der Sorte Golden Delicious aus konventioneller und Bio-Produktion enthielten Bio-Äpfel bis zu 32 % mehr Phosphor und 18, 6 % mehr Phenole (mit 22 % mehr Flavanolen). Phenole und Flavanoide wirken nicht nur antioxidativ und immunisierend, sondern beugen auch Herzkreislauferkrankungen und Lungenkrebs vor. Die Bio-Äpfel enthielten 8,5 % mehr Nahrungsfaser, eine um 14 % Prozent höhere Fruchtfleischfestigkeit. Sie erhielten eine um 15,4 % bessere sensorische Bewertung. Außerdem wurde eine um 65,7 % (!) höhere Vitalqualität gemessen. In allen Aspekten der Fruchtqualität hingegen unterschieden sich die Äpfel aus beiden Anbausystemen kaum (15).

Geschmack wird angelernt

Bio-Obst und -Gemüse enthält weniger Nitrat und Pestizidrückstände, dafür mehr Vitamine, Mineralstoffe und bis zu 50 % höhere Gehalte an sekundären Pflanzeninhaltsstoffen. Bio-Wurzel- und Blattgemüse enthält mehr Trockensubstanz. Weil weniger Stickstoff gedüngt wird, reifen die Pflanzen länger aus (16). All dies wirkt sich auf den Geschmack aus. Wir müssen selbst erleben, wie ein Apfel oder eine Möhre aus dem eigenen Garten schmecken. Erst dann können wir den Geschmack einordnen. Wer meistens konventionelle Lebensmittel isst, gewöhnt seinen Gaumen an Geschmacksverstärker, künstliche Aromen und Konservierungsstoffe – und assoziiert beim Stichwort Tomate erst einmal Ketchup. Erfahrene Bio-Esser erkennen die Bio-Tomatensauce am Geschmack – selbst dann, wenn die Bio-Kennzeichnung fehlt (17).

 

Auch Tiere sind in der Lage, das Beste für sich herauszuschmecken. In einem Experiment von 1977 entschieden sich Mäuse, als sie vor der Wahl zwischen Getreide verschiedener Herkunft standen, für Weizen aus Bio-Anbau (18). Bekannter ist der Futterversuch mit Ratten, die in der Mehrzahl Obst und Gemüse aus Bio-Anbau wählten (19). Hat den Tieren Bio besser geschmeckt oder haben sie instinktiv gemieden, was ihrem Körper schadet? Vermutlich beides. Nur mit dem schadstofffreien Anteil in unserer Nahrung nimmt der Bio-Körper die Stoffe auf, die er von seiner evolutionären Entwicklung her kennt und optimal verwerten kann. Offenbar ist der Geschmackssinn so fein ausgeprägt, dass er die gesunden Inhaltstoffe herausschmeckt, denn alle anderen bergen für den Körper zumindest ein Risiko. Darum ist Bio letztlich mehr als nur Geschmacksache.

Autorennotiz

Susanne Aigner, Wartebergstr. 7, 37213 Witzenhausen, info(at)biosicht.de; www.biosicht-redaktionsbüro.de

Quellen

  • 1) ECROPOLIS-Studie (2009 bis 2012): www.ecropolis.eu/wp6__dissemination.html

  • 2) www.ecropolis.eu/images/downloads/EN_fact%20sheet_yoghurt.pdf

  • 3) Lössl, M.: Biologisch-dynamische Milch im Geschmackstest. In: Lebendige Erde 2/2004, S. 24-27

  • 4) Baars, T.et. al.: Milchqualität u. menschliche Gesundheit. In: Lebendige Erde 6/2005, S. 42-45

  • 5) Stiftung Warentest (2010): www.3sat.de/page/?source=/nano/bstuecke/109743/index.html

  • 6) Kalka, Edith: www.orgprints.org/2262 (31 – 41)

  • 7) Pastushenko, V. et. al.: Weidehaltung schützt Milch vor Oxidation. In: Ökologie & Landbau, 3/2001 (42-43)

  • 8) www.ecropolis.eu/images/downloads/DE_fact%20sheet_Salami.pdf

  • 9) Marx, Bea: Pökelstoffe in Öko-Fleischwaren. In: Lebendige Erde 6/2006 (24 – 27).

  • 10) Es war einmal ein Huhn. In: test 10/2010 (22 – 25)

  • 11) Der Bio-Check. In: test 6/2010 (27-31)

  • 12) orgprints.org/8595/1/8595-02OE559-ttz-buchecker-2003-geschmackssiegel.pdf (35 – 39)

  • 13) www.ecropolis.eu/images/downloads/DE_fact%20sheet_Oel.pdf

  • 14) www.ecropolis.eu/images/downloads/EN_fact%20sheet_apples.pdf

  • 15) Bioäpfel – besser und gesünder? In: Ökologie & Landbau, 1/2001 (25 – 28)

  • 16) www.boelw.de/biofrage_19.html; www.boelw.de/biofrage_18.html

  • 17) www.ecropolis.eu/images/downloads/DE_fact%20sheet_Tomatensauce.pdf (S. 7)

  • 18) Pfeiffer, E. : Die Fruchtbarkeit der Erde. R.-Geering-Verlag, Dornach, 1977.

  • 19) Velimirov, A.: Futterwahlversuche mit Ratten: www.orgprints.org/6405