Schwerpunkt

Umstellung auf Demeter

Motive, Hintergründe, Erfahrungen

von Von Oliver Alletsee, Demeter Berater, Darmstadt, olliver.alletsee(at)demeter.de

 

Der Bio-Boom ist ungebrochen. 2011 legte der Umsatz mit Bio-Produkten in Deutschland gegenüber dem Vorjahr um satte 9 % zu. Gleichzeitig wuchs die Bio-Anbaufläche nur um knapp 2,3 %, und die von Betrieben, die einem Anbauverband angehören, sogar um nur knapp 1,5 %. Demeter hatte Ende 2011 genau 33 Betriebe mehr als zu Beginn des Jahres. Damit insgesamt 1.420 , ein Wachstum von 2,38 % . Ende 2011 gab es 19.349 Öko-Betriebe. Kein Wunder, dass der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) forderte: „10.000 neue Bio-Betriebe braucht das Land“, um den Bedarf an Bio-Produktion aus heimischer Produktion decken zu können. Wie in der Biobranche insgesamt ist auch die Nachfrage nach Demeter-Produkten in vielen Bereichen weit größer als das Angebot.

Wer stellt eigentlich um?

In einer sozioökonomischen Studie untersuchten Rieken und Boland 2011 die Umstellungsentscheidung von Landwirten in ganz Deutschland (1). Dazu wurden verschiedene Landwirte befragt. Vor allem landwirtschaftliche Fachschüler und Meister haben nur eine vage Vorstellung vom Ökologischen Landbau und Unsicherheiten hinsichtlich einer ökologischen Betriebsumstellung überwiegen. Für einige Befragten spielte auch eine bestimmte Ästhetik der Kulturlandschaft eine Rolle. „Die Leute wollen eben saubere Felder.“

 

Bei den Befragungen ließen sich sowohl bei den etablierten Praktikern wie auch bei den Fachschülern und Meistern zwei gegensätzliche Typen identifizieren. Die einen sind ökoaffin, während die anderen „öko“ ablehnen. Bei den Praktikern ist jedoch der Einfluss des Umfeldes auf ihre Motive und Entscheidungen bezüglich einer Umstellung geringer als bei den Fachschülern bzw. Meistern. Insgesamt wird die Entscheidung von Landwirten, auf ökologischen Landbau umzustellen, weitaus mehr durch eine veränderte Wahrnehmung der eigenen Werteorientierung positiv beeinflusst, wie z.B. durch die Agrogentechnik-Debatte, als durch äußere Faktoren wie ökonomische Anreiz-Systeme.

Werte-Orientierung macht den Unterschied

Aus den Erfahrungen der Umstellungsberatungen bei Demeter, die wir in den letzten Jahren gemacht haben, sind die werteorientierten Umsteller ganz klar in der Überzahl. Dennoch ist ein Wandel zu erkennen. So erhalten wir immer wieder Anfragen von Umstellungsinteressenten, die mit der Demeter-Zertifizierung Geld machen wollen. Sie orientieren sich an den Preisen im Bio-Laden, schauen, welche Produkte sind am teuersten und schließen daraus, entsprechend bei der Produktion der Produkte mehr Geld zu verdienen. Dass damit aber ein höherer Input verbunden ist, stellt sich dann sehr schnell bei der Umstellungsberatung heraus. Diese ist ein wesentlicher Baustein, um über die tatsächlichen gesamtbetrieblichen Auswirkungen einer Umstellung aufzuklären. Die Umstellungsberatung wurde im Verband regional unterschiedlich gehandhabt und teils auch vernachlässigt. Der Demeter e.V. hat daher in den vergangenen Jahren eine Erzeugerberatung mit Sitz in Darmstadt aufgebaut, um die Lücke jenseits der Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg zu schließen, mit Focus auf Umstellungsberatung. 2012 wurden so 24 potenzielle Umsteller beraten.

Umstellung auf Demeter: Was ist wichtig?

Bei der Umstellung auf Demeter sind folgende Eckpunkte zu beachten. Die Umstellung eines Betriebes erfolgt immer gesamtbetrieblich, denn der gesamte Hof wird als lebendiger und einzigartiger Organismus betrachtet. Bei landwirtschaftlichen Betrieben ist eine Haltung von Raufutterfressern vorgeschrieben. Dazu gehören natürlich neben Kühen auch Schafe und Ziegen, aber auch Pferde. Bezogen auf die landwirtschaftliche Fläche müssen demnach mindestens 0,2 GV Raufutterfresser auf dem Betrieb gehalten werden. Falls das nicht möglich ist, muss mindestens eine Kooperation mit einem anderen Tiere haltenden Betrieb bestehen, der für beide Betriebe ausreichend Raufutterfresser hält. Bei den Milchtieren (Kuh, Schaf und Ziege) und seit 2013 auch bei den meisten Mutterkühen (ausgenommen sind Charolais, Aberdeen und Deutsch Angus) müssen die Tiere Hörner haben. Mindestens 50 % des eingesetzten Futters muss vom eigenen Betrieb stammen, insgesamt muss 2/3 des Futters Demeter sei, mit Ausnahmen bei Schweinen und Hühnern. Konventionelle Futtermittel sind prinzipiell ausgeschlossen.

 

Alle Umstellungsbetriebe müssen sich einer jährlichen EU-Bio-Kon­trolle durch eine unabhängige Kon­trollstelle unterziehen, woran eine Demeter-Kontrolle, ebenfalls durch die Kontrollstelle durchgeführt, gekoppelt ist. Zusätzlich verpflichtend ist für alle Demeter-Umsteller eine Mitgliedschaft in einer regionalen Landesarbeitsgemeinschaft. Dort finden Aktivitäten in regionalen oder überregionalen Gruppen statt. Ebenfalls obligatorisch ist für jeden Umsteller innerhalb der ersten zwei Jahre nach Umstellungsbeginn die Teilnahme an einem Einführungskurs in die Biologisch-dynamische Wirtschaftsweise. Dieser wird sowohl regional wie auch überregional regelmäßig angeboten.

 

Die Grafik auf S. 12 zeigt den Verlauf einer Umstellung von konventionell auf Demeter für mehrjährige und jährige Kulturen sowie für Milch. Grob zusammengefasst ist alles, was im ersten Umstellungsjahr (U-Jahr) geerntet wird, „konventionell“, was im 2. U-Jahr geerntet wird gilt als „in Umstellung auf Demeter“ und alles, was 24 Monate nach Umstellungsbeginn geerntet, wird „Demeter“- zertifiziert, wobei einjährige Kulturen erst die Demeter-Anerkennung erhalten, wenn der Saatzeitpunkt des Erntegutes mindestens 24 Monate vor dem Umstellungsbeginn lag. Bei der Milch gilt immer: Status des Futters = Status der Milch. Andere tierische Erzeugnisse wie Fleisch haben eine tierartspezifische Umstellungszeit, was bedeutet, dass das Fleisch nicht gleich Demeter ist, wenn das Tier Demeter-Futter frisst. Das ist gesondert zu beachten und hier nicht dargestellt. Voraussetzung ist immer, dass mit Beginn der Umstellung komplett im ganzen Betrieb richtliniengemäß gewirtschaftet wird. Betriebe, die bereits vor Beginn der Umstellung auf Demeter seit mindestens zwei Jahren in der Umstellung auf Öko sind, bekommen die Demeter-Anerkennung bereits nach zwei Jahren. Betriebe, die bereits eine EU-Bio Voll-Anerkennung haben, also deren Umstellungsbeginn auf EU-Bio mindestens 3 Jahre zurück liegt, können unter gewissen Umständen und bei Einhaltung der Richtlinie bereits innerhalb des 1. Demeter Umstellungsjahres die Demeter Anerkennung erreichen.

Biodynamische Präparate

Wesentlicher Bestandteil der Umstellung wie natürlich auch später als Demeter-Betrieb ist die Anwendung der Biologisch-dynamischen Präparate. Hiermit unterscheiden wir uns von allen anderen Bewirtschaftungsformen. Angewendet werden müssen von allen Demeter-Betrieben einmal jährlich auf allen Flächen die Spritzpräparate Hornmist und Hornkiesel. Zusätzlich müssen alle Wirtschaftsdünger mindestens einmal mit den Kompostpräparaten: Kamille, Schafgarbe, Eichenrinde, Brennnessel, Löwenzahn und Baldrian geimpft werden. Zu Beginn der Umstellung, wenn noch keine präparierten Wirtschaftsdünger auf dem Betrieb vorhanden sind, muss flächendeckend ein Sammelpräparat wie beispielsweise das Fladenpräparat eingesetzt werden. Dies ist in der Regel im 1. Umstellungsjahr der Fall und das Fladenpräparat kann als Spritzpräparat zusammen mit dem Hornmist ausgebracht werden. Die Präparateausbringung und auch die Präparateherstellung, auch wenn sie in der Regel gemeinsam mit den anderen Kollegen innerhalb der Arbeitsgemeinschaft erfolgt, bedeutet einen zusätzlichen Aufwand.

Kosten einer Umstellung: Präparate

Anhand der Tabelle S. 15 wird deutlich, mit welchen jährlichen Kosten im Bezug auf die Präparateherstellung und Ausbringung auf einem 100 ha Betrieb zu rechnen ist. In einigen Regionen besteht die Möglichkeit, die Präparate im Lohn ausbringen zu lassen. Die Kosten für Ausbringung und Zukauf sind hier ebenfalls dargestellt. Für die Ausbringung und Herstellung bzw. den Bezug der Präparate bei nicht eigener Herstellung sind also zwischen 30 € und 45 € pro Hektar und Jahr zu veranschlagen. Prinzipiell ist die eigene Herstellung und Ausbringung die günstigere Variante.

 

Neben Kosten für Präparate sind weitere Posten bei einer Umstellung zu beachten. Das ist neben Kontroll- und Zertifizierungskosten, die durch eine Demeter-Kon­trolle und Zertifizierung zusätzlich zur EU-Kontrolle entstehen, vor allem der Mitgliedsbeitrag in der Landesarbeitsgemeinschaft. Dieser setzt sich aus einem flächenabhängigen und einem umsatzabhängigen Beitrag zusammen und fällt je nach Region unterschiedlich aus. In der Regel beläuft sich der Grundbeitrag für einen 100 ha Betrieb pro Jahr auf 400 bis 500 €. Der umsatzabhängige Beitrag beträgt 0,6 % vom tatsächlich mit der Landwirtschaft erwirtschafteten Umsatz. Dabei beschränkt sich der Anteil nicht auf die durch die Demeter-Produkte erwirtschafteten Umsätze, sondern auf alle Umsätze, die durch Bio-Produkte erreicht wurden. Mitgliedsbeiträge für Gemüsebau- oder Sonderkulturbetriebe sowie für Imker werden anders berechnet. Auch hängt der Anteil des umsatzabhängigen Beitrages in einigen Regionen vom Grad der Direktvermarktung ab.

Die wesentlichen Schritte der Umstellung

Jeder Demeter-Umsteller erarbeitet mit der Beratung einen Umstellungsplan mit den wichtigsten betriebsspezifischen Eckpunkten dazu. Er dient dem Betriebsleiter als Fahrplan für die Umstellung wie auch den Zuständigen bei Demeter als zu begleitender Weg des Betriebes. Nehmen wir als Beispiel den Betrieb von Friedrich Gräning, ein Brandenburger Milchviehbetrieb in der Nähe von Neuruppin, rund 80 km nord-westlich von Berlin. Zum Umstellungszeitpunkt hatte der Betrieb rund 80 Kühe und bewirtschaftete 231 ha. Die Kühe durften schon in konventionellen Zeiten ihre Hörner behalten, was die Umstellung auf Demeter erheblich erleichterte. Der Betriebsleiter hatte im April 2009 mit der Umstellung auf Öko begonnen und sich dann im Juli 2010 für eine Mitgliedschaft bei Demeter entschieden, im Landesverband ist Demeter-Berlin-Brandenburg. Gränings Betrieb hatte zwei wesentliche Besonderheiten: Erstens stand ein Molkereiwechsel an und zweitens liefen hier zwei Umstellungszeiten parallel, einmal die Öko-Anerkennung und dann die eigentliche Demeter-Anerkennung.

 

Die Milch sollte, sobald sie den Status in „Umstellung auf Demeter“ bekäme, von der Brodowiner Molkerei erfasst werden. Vor der Umstellung lieferte Gräning an eine konventionelle Molkerei, was 2010 während des ersten Umstellungsjahres, des so genannten Null-Jahres, beibehalten wurde. Im Frühjahr 2011 hatte die Milch bereits die Öko-Anerkennung und wurde von da an bis November 2011 an eine Biomolkerei geliefert, um den damals erheblich besseren Milchpreis mit zu nehmen. Ab November 2011 hatte die Milch den Status „ in Umstellung auf Demeter“ und konnte an die Demeter-Molkerei in Brodowin geliefert werden. Laut Ver­arbeitungsrichtlinie kann eine Molkerei 5 % Umstellungsmilch verarbeiten und die Milch als Ganzes dann unter Demeter vermarkten. Damit erhielt der Betrieb bereits im zweiten Umstellungsjahr auf Demeter einen Demeter-Milchpreis. Endgültig als Demeter anerkannt wurde die Milch dann im Frühjahr 2012. Dies galt auch für die jährigen Kulturen, die zur Ernte 2012 als Demeter-Ware vermarktet werden konnten.

Umstellung ist mehr als nur ein anderes Verfahren

Das Beispiel zeigt, welche Wandlung ein Betrieb während der Umstellung durchmacht. Auch sind die Beweggründe für die Umstellung sehr interessant, lassen die persönlichen Hintergründe erkennen. Eine Parole, wie sie durch den BÖLW ausgerufen wurde, „10.000 Betriebe ….“ dürfte so einfach nicht funktionieren. Denn ein Betrieb ändert bei einer Umstellung nicht einfach nur ein Verfahren oder wendet eine andere Technik an. Eine Umstellung ist sowohl für den Betrieb wie auch für die Menschen und die Familie auf dem Betrieb eine besondere Herausforderung, die von allen getragen werden muss. Dies gilt besonders für eine Umstellung auf Demeter.

Aufwand für die bio-dynamische Präparatearbeit (eigene Berechnung)

Quellen

Rieken, Henrike und Boland, Hermann (2011) Beratung für Umstellungsentscheidungen.

Vortrag at: 11. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau, Gießen, 15.–18. März 2011