Schwerpunkt

Grünland, Kleegras und Weide den wahren Wert geben

Flächenproduktivität und Weideleistung realistisch ermitteln

von Dr. Edmund Leisen, Öko-Team der Landwirtschaftskammer NRW

 

Die bisherigen Berechnungen zum Beitrag unterschiedlicher Futtermittel zur Milchproduktion haben international einerseits zu einer Unterbewertung von Grünland, Kleegras und insbesondere von Weidegang sowie allgemein Grobfuttermitteln geführt und andererseits zu einer Über­bewertung von Kraftfutter. Aufgedeckt wurde dieses Phänomen innerhalb des Projektes „Leitbetriebe ökologischer Landbau in NRW“, in dem Untersuchungen zur Vorzüglichkeit des Weideganges einen Schwerpunkt bildeten. Trotz gutem Weidemanagement wurde auf Betrieben mit begrenztem Weidegang nur eine geringe, teils sogar eine negative Flächenproduktivität errechnet. Die vordergründige Erklärung war: Die Kühe bewegen sich auf der Weide viel und verbrauchen dabei Energie. Der wahre Grund jedoch ist: Programmbedingt wurde in der Berechnung der Energieeinheit aus dem Kraftfutter mehr Milch und der Energieeinheit Grobfutter (z. B. aus Weide) weniger Milch zugeordnet. Die Energie aus dem Grobfutter musste kalkulatorisch den vollen Erhaltungsbedarf abdecken, die Energie aus dem Kraftfutter diente dagegen kalkulatorisch nur der reinen Milchproduktion. Das hat Auswirkungen auf die Bewertung von Grobfutter und damit auch der Weide, die wie folgend dargestellt, beachtet werden sollten.

Anteilsmethode zur Berechnung der Flächenproduktivität:

Die im oben genannten Projekt entwickelte Methode führt zu einer realistischen Bewertung des Grobfutters. Sie ist zwischenzeitlich auf wissenschaftlicher Ebene anerkannt, die Umsetzung in die Praxis erfordert noch Zeit. Bei dieser Methode wird die aus dem Futter erzeugte Milchmenge anteilig der Energiezufuhr aufgeteilt. Wird über Grobfutter beispielsweise 50% der Energie aufge­nommen, dann werden dem Grobfutter auch 50% der Milch zugeordnet.

Weide- und Schnittleistung korrekt berechnen

In der Literatur werden die Weideleistung häufig unter- und die Schnittleistung dagegen überbewertet. Der Grund: Bei Schnittleistung wird der Brutto- und bei Weideleistung der Nettobetrag dargestellt, ohne dass dies deutlich wird. Neuere Untersuchungen aus Bayern ergaben 30% Verlust zwischen brutto (auf dem Feld) und netto (Menge, die die Kuh an Futter aufnimmt). Setzt man den Bruttobetrag = 100%, so liegt der Nettobetrag bei Schnittnutzung dann bei 70%, bei Weide sind 80% möglich, vorausgesetzt, eine gute Weideführung wird praktiziert. Unter diesen Bedingungen ist die Weide produktiver.

Ökonomische Bewertung von Weide

Betriebswirtschaftliche Auswertungen zur Wirtschaftlichkeit der Weidenutzung kommen sehr häufig zu dem Ergebnis, dass hohe Anteile an Weidefutter in der Ration nicht wirtschaftlich sind. Bei genauerer Betrachtung stellt man jedoch fest, dass es sich hierbei nicht um Vollweidebetriebe handelt. Zahlen zur Energieaufnahme auf der Weide liegen kaum vor, auch international meist nicht. Der Einfachheit halber wird die Dauer des Weidegangs als Maßstab für den Weideumfang genommen, beispielsweise halbtags oder ganztags. Bei genauerer Betrachtung der Futteraufnahme, der tatsächlich als Weide genutzten Fläche und der hierbei auftretenden Weidereste wird aber deutlich, dass auf den meisten Betrieben mit Ganztagsweide der größte Teil der Futteraufnahme dennoch im Stall erfolgt. Wirtschaftlich kann diese Haltung aber nur bei überdurchschnittlich gutem Management mit anderen Systemen mithalten, da sowohl Kosten im Stall als auch auf der Weide anfallen. Den Tieren selbst tut der Weidegang zwar gut, einen Hinweis auf die Wirtschaftlichkeit bei hohem Weideanteil geben diese Berechnungen aber nicht. Betriebe mit hohem Weideanteil können dagegen sehr wirtschaftlich arbeiten, wie mehrjährige Auswertungen im Projekt, aber auch andere Arbeiten belegen.