Schwerpunkt

Permakultur

Lernen von der Ökologie des Waldes

von Marion Buley und Dr. Immo Fiebrig

 

Die Permakultur wurde schon in den 1970er-Jahren in Australien von Bill Mollison entwickelt und hat sich inzwischen weltweit verbreitet, jedoch überwiegend im Hausgarten- und Selbstversorgerbereich sowie in Kleinbauerngruppen. Erst in letzter Zeit erfährt die Permakultur zunehmend Beachtung. Der Film „Tomorrow – Die Welt ist voller Lösungen“ von C. Dion und M. Laurent berichtet über den nordfranzösischen Gemüsebaubetrieb „Ferme du Bec Hellouin“ als Vorzeigemodell für eine auch wirtschaftlich funktionierende Permakultur. Seitdem reißen die Besucherströme dort nicht mehr ab. Unternehmen vertreiben Erzeugnisse aus Permakulturproduktion, z. B. lehmann natur GmbH (D), real­-SB Warenhaus GmbH (D) oder Lush Cosmetics (UK). Permakultur wird mittlerweile auch an Universitäten gelehrt und beforscht, z. B. an der Universität in Coventry (UK). Doch was genau ist Permakultur? Und können Aspekte der Permakultur auch im biologisch-dynamischen Anbau genutzt werden?

Was will Permakultur?

Permakulturpraktiken sollen die Qualität landwirtschaftlichen Bodens nicht nur bewahren, sondern verbessern, zerstörte Lebensräume für Tiere und Menschen wiederherstellen und benachteiligten Bevölkerungsgruppen neue Lebens­per­spektiven bieten. Soweit unterscheidet sie sich nicht grundsätzlich vom Ökolandbau, doch gibt es in der Permakultur weder gesetzliche Standards noch konkrete Produktionsvorschriften. Es handelt sich um ein eher abstraktes Denkprinzip anhand ethischer Grundlagen, Leitsätze und Prinzipien, die an jedem Standort individuell interpretiert und umgesetzt werden können (PermaculturePrinciples.com). Mittlerweile wird das Denkprinzip der Permakultur auch in der Landschaftsplanung, in der Energieversorgung, im Bauwesen sowie sozialen Projekten angewendet. Rob Hopkins, der Begründer der Transition Town-Bewegung, initiiert z. B. Gemeinschaftsprojekte in Städten und Kommunen zum Übergang in ein post-fossiles Zeitalter. Er hat die Permakulturprinzipien auch für eine Anwendung im Wirtschafts­leben interpretiert.

 

Angelehnt an Mollisons ursprüngliche Definition ist Permakultur die bewusste Gestaltung sowie Unterhaltung von essbaren Landschaften, die über Stabilität und Widerstandsfähigkeit eines (Ur-)Waldes verfügen. Sie betrachtet Systeme in der Vielfalt ihrer Funktionen und erlaubt ihnen ihre eigene Evolution zu entfalten, mit dem Ziel einer Optimierung zu möglichst „sich selbst erhaltenden Systemen“. Die ethischen Grundlagen der Permakultur können in drei Punkten zusammengefasst werden:

  • Sorge für die Erde („earth care“)!

  • Sorge für die Menschen („people care“)!

  • Begrenze Konsum und Wachstum („fair share“)!

Am Anfang jeder Permakultur: Planung und Gestaltung mit der Natur als Vorbild

Permakultur befasst sich in der Praxis vor allem mit dem optimalen „Design”. Gärten und landwirtschaftliche Betriebe bedürfen einer sorgfältigen Planung und Gestaltung vor ihrer Neuanlage oder Umstellung. Dabei wird der Standort mit allen Boden- und Klimafaktoren, Hangneigung sowie Ressourcen, Restriktionen und sozialen Gege­benheiten mit verschiedenen Analyse- und Planungsinstrumenten evaluiert unter größtmöglicher Ausnutzung von Synergien und erneuerbarer Ressourcen aus der Natur. Land- und Gartenbaukonzepte mit permakulturellen Elementen zeichnen sich oft durch Mischkulturen mit Integration von Dauerkulturen aus. Förderung der Bodenfruchtbarkeit durch ständige Bodenbedeckung, minimale Bodenbearbeitung und die Verwendung von Kompost, Komposttees und Mikroorganismen spielen eine wichtige Rolle. Eine wesentliche Stärke der Permakultur ist, ungünstige Standorte bestmöglich zu nutzen, da der Design-Prozess dazu dient, Potenziale zu identifizieren und zu maximieren.

 

Die folgenden landwirtschaftlichen Produktionssysteme entsprechen den Prinzipien der Permakultur, da sie die ökologische Stabilität eines Waldes nachahmen und nutzen:

  • Waldgarten/Agroforstwirtschaft: Waldwirtschaft kombiniert mit der Produktion von Nahrungsmitteln, z. B. Fruchtbäume + Nutzhölzer + Getreideanbau auf ein und derselben Fläche.

  • Agro-silvo-pastorale Systeme: Tierhaltung zusätzlich, z. B. die spanische Dehesa-Landschaft der Es­tremadura, in der Kork- und Stein­eichen mit Feldbau und Schweine­aufzucht kombiniert werden.

  • Mischkulturen im Pflanzenbau, z. B. die sogenannte milpa der Maya in Mexiko: Mais kombiniert mit Kletterbohnen und Kürbis zur Bodenbedeckung wird heute noch in kleinbäuerlichen Systemen angebaut.

  • Einsatz mehrjähriger Nutzpflanzen, um z. B. die Bodenbearbeitung auf ein Minimum zu beschränken. Mehrjährige Getreidesorten z. B. können gegenüber Trockenperioden widerstandsfähiger sein. Das US-amerikanische Land Institute betreibt hierzu seit Mitte der 1970er-Jahre entsprechend Forschung (http://landinstitute­.org).

  • Symbiotische Tierhaltung z. B. von Schweinen und Geflügel. Die räumlich gemeinsame Aufzucht beider Tierarten im Freien schützt das Huhn vor dem Fuchs und befreit das Schwein von Parasiten. Das Gut Herrmannsdorf in Glonn bei München bietet hierzu ein wirtschaftlich tragfähiges Beispiel (http://herrmannsdorfer.de).

Permakultur in der Praxis

In Deutschland findet Permakultur hauptsächlich bei Hausgartenbesitzern ihre Anhängerschaft, im englischsprachigen Raum sind kleine Selbstversorgerlandwirtschaften verbreitet, aber auch das sogenannte „Urban Gardening“ entwickelte sich mit aus dem Permakulturgedanken. In Nord- wie Südamerika hingegen gibt es bereits Betriebe, die sich professionell mit Permakultur befassen. Jerome Osentowski aus Colorado entwirft ein Element der Permakultur: Gewächshäuser, die ohne fossile Energie geheizt oder gekühlt werden können. Das Permaculture Research Institute in Australien registrierte über 2.200 Permakulturprojekte weltweit (http://PermacultureGlobal.org/projects).

Permakultur im biologisch-dy­namischen Obstbau in Spanien: Jelanisol und Montebello

Friedrich Lehmann, zugleich Inhaber des Unternehmens lehmann natur, hat seine 50-ha-Demeter-Finca in Andalusien seit fünf Jahren schrittweise durch Elemente der Permakultur ergänzt. Ein Schwerpunkt liegt auf der Erhöhung der Bodenfruchtbarkeit durch ein spezielles Kompostierungsverfahren und der Anwendung von Mikroorganismen. Neuanlagen werden nach Konturlinien bepflanzt, um Erosionsschäden zu verhindern und die Windgeschwindigkeit zu verringern. Untersaaten und ständige Bodenbedeckung ergänzen die Maßnahmen. Die Verlegung der Tropfbewässerung unter die Erde hat den Verbrauch an Wasser um etwa 25 Prozent verringert. Ein zweiter Schwerpunkt liegt auf der Erhöhung der Biodiversität. Für Wildtiere und Insekten bietet ein etwa acht Meter breiter Heckensaum am Rand der Fläche ein großes Rückzugsgebiet, Artenvielfalt wird somit begünstigt. Verschiedene Obstkulturen werden z. T. in Mischkultur angebaut, seit 1990 hauptsächlich Avocado und Orangen, neuerdings auch Kumquat und Granatapfel.

 

2014 übernahm Friedrich Lehmann eine zweite Finca mit 100 ha Bio-Orangenanbau. Diese wird nun schrittweise um permakulturelle Aspekte ergänzt. Zur Planung erfolgte eine genaue Analyse des Standortes und der Anbaumöglichkeiten. In einem Planungsworkshop mit ca. zehn Teilnehmern wurden mögliche Kulturpflanzen sowie Pflanzpläne aus verschiedenen Blickwinkeln diskutiert und entschieden. Hauptherausforderung war es, die Monokultur in eine Mischkultur umzuwandeln und dabei die bestehenden Bäume möglichst zu erhalten.

 

Basierend auf dem Ökolandbau haben Friedrich Lehmann und sein Team die „lehmann natur Permakultur Produktionsgrundlagen“ erarbeitet und damit etabliert, was sie innerhalb des Unternehmens, gegenüber Produzenten, Handel sowie Verbrauchern als Permakultur verstehen und definieren (http://lehmann-natur.com/permakultur).

 

Kernelemente sind:

  • Bodenschutz- und Bodenaufbau durch schonende Bodenbearbeitung, Anbau nach Konturlinien (wenn sinnvoll), Einsatz von Kompost sowie Bodenbedeckung etc.;

  • Erhöhung der Biodiversität durch z. B. Heckenelemente, Aufwuchs von Wildkräutern, Mischkulturen etc.;

  • Maßnahmen zur Wassereinsparung und Wassersammlung.

Durch eine Kooperation mit dem Zentrum für Agrarökologie, Wasser und Resilienz (CAWR) der University of Coventry werden die Fincas­ von Friedrich Lehmann wissenschaftlich begleitet.1 Das briti­sche Forschungszentrum dokumen­tiert und bewertet die Auswirkungen der Permakultur auf die drei Säulen der Nachhaltigkeit: (1) Umwelt, (2) Wirtschaftlichkeit und (3) Soziales.

Herausforderungen der Permakultur

Nach unseren Erfahrungen sind die Herausforderungen bei der Permakultur die folgenden:

  • Permakultur erfordert sehr viel Know-how, Beobachtungsgabe sowie Geduld.

  • Analyse und Planung sind sehr komplex und sollten als mehrstufiger, partizipativer Prozess sehr sorgfältig gestaltet werden, da sie die Basis für langfristige Investitionen darstellen. Es ist empfehlenswert, erfahrene Permakulturberater hinzuzuziehen.

  • In Mischkulturen sind Mechanisierung und Pflanzenschutzanwendungen erschwert.

  • Es fehlt an serienreifen Maschinen für permakulturelle Anbauverfahren im Gemüsebau wie z. B. Direktpflanzmaschinen oder no-till bzw. low-till Pflegesysteme.

  • Umsetzung dauerhafter Elemente wie z. B. die Anlage von Hecken können auf Pachtland problematisch oder nicht durchführbar sein

  • Die Erstellung von betriebs- und arbeitswirtschaftlichen Planzahlen ist aufgrund weniger dokumentierter Erfahrungswerte und Daten erschwert.

Fazit: Permakultur als Planungsinstrument

Bei der Permakultur sind das genaue Beobachten und Analysieren eines Standortes Basis für die Produktionsplanung. Ziel ist, die Potenziale eines Standortes zu identifizieren und zu maximieren. Dabei werden Synergien und Dienstleistungen der Natur größtmöglich genutzt, d. h. es erfolgt eine Betriebsoptimierung nach Naturprinzipien. Auch spielen betriebs- und arbeitswirtschaftliche Aspekte eine wichtige Rolle. Die Permakultur kann als strukturiertes Analyse- und Planungsinstrument angesehen werden, das auf jedem Betrieb, unabhängig von der Anbauweise, angewendet werden kann, um Ressourcen besser zu nutzen und die Effizienz und Resilienz zu steigern.

 

Nützliche Information:http://www.permakultur-akademie.de, http://www.permakultur-info.de, http://www.permaculture.org.uk

 

1) Bisherige Veröffentlichung des Teams an der Coventry University (Typologien landwirtschaftlicher Betriebe): Burbi S. et al. (2016) Achieving successful farmer engagement on greenhouse gas emission mitigation, International Journal of Agricultural Sustainability, DOI: 10.1080 / 14735903. 2016. 1152062

Autoren

Marion Buley, Marion.Buley(at)t-online.de

Agraringenieurin und Europaökonomin, Permakulturberaterin

 

Dr. Immo Fiebrig, Immo.Fiebrig(at)coventry.ac.uk

Biochemiker und Permakulturist, Zentrum für Agrarökologie, Wasser und Resilienz (CAWR), Universität Coventry, Monitoring & Evaluierung von Permakultursystemen