Schwerpunkt
Das Potenzial des Unterbodens
Interview mit Prof. Dr. Ulrich Köpke, Institut für Organischen Landbau, Universität Bonn
Fragen: Michael Olbrich-Majer
Herr Prof. Köpke, Ihre Mitarbeiter forschen mit aufwändigen Mitteln, u. a. mit Profilgrabungen und Kernspintomographie in tieferen als den beackerten Bodenschichten. Was suchen Sie da?
Wir möchten die verborgene, vernachlässigte Hälfte der Pflanzen bei derer Begegnung mit der verborgenen Hälfte des Bodens besser verstehen. Welche Rolle spielen unterschiedliche Wurzelsysteme, welche die unmittelbare Umgebung der Wurzeloberfläche, die Rhizosphäre, und welche die Drilosphäre, der unmittelbar durch Regenwurmtätigkeit beeinflusste Boden, für die Wasseraufnahme- und Nährstoffakquisition aus dem Unterboden?
Was haben Sie bisher herausgefunden?
Hypothesengemäß hinterlassen Pfahlwurzeln ausbildende Pflanzen, vor allem Feldfutterpflanzen wie Luzerne, Wegwarte, aber auch Rotklee, nach dem Absterben ihrer Wurzeln vergleichsweise großlumige Bioporen, das heißt, nahezu vertikal bis in größere Bodentiefen reichende Grobporensysteme. Diese können von den Wurzeln der Nachfrüchte für rasches Wachstum in den tieferen Boden genutzt werden. Dort erreichen die Kulturpflanzen unter Umgehung des Bodenwiderstandes wasserführende Bodenschichten und können somit Trockenphasen besser überstehen.
Ist der Unterboden in der Feldkultur unterschätzt? Was können wir da erwarten?
Verglichen mit dem mit Nährstoffen angereicherten und in der Regel mehr oder minder intensiv bearbeiteten Oberboden sind Bodengefüge, Wasserhaushalt und Nährstoffaufnahme im Unterboden bislang selten untersucht worden. Man kann immer wieder lesen, dass das menschliche Leben auf dieser Erde von den obersten 30 Zentimeter humosen Oberbodens abhängig ist. Dies ist insofern nicht zutreffend, als das von den Pflanzenwurzeln erschließbare Bodenvolumen des Unterbodens in der Regel deutlich größer ist. Hier werden Nährstoffe aus der Festphase, das heißt dem mineralischen Bodenkörper erschlossen, hier findet Bodenneubildung statt. Bodenneubildung und Nährstoffaufnahme aus dem Unterboden zu quantifizieren, ist insofern nicht einfach, als die Nährstofffreisetzung unter dem Einfluss von Wurzelaktivität und mikrobieller Aktivität hier zwar kontinuierlich, aber verglichen mit den Nährstoffflüssen im Oberboden nur in geringer Quantität stattfindet. Gleichwohl finden sich beispielsweise auf den verschiedensten Ackerböden zwischen 25-70 Prozent des gesamten Phosphors im Unterboden. Diese begrenzte Ressource und andere Nährstoffe lassen sich nur durch Erschließen des Unterbodens mit effizienten Wurzelsystemen und durch Bioporung nutzbar machen.
Früher hatte der Ackerbau immer auch eine meliorative Note: jährlich etwas tiefer pflügen oder dreijähriger Luzerneanbau. Heute setzt die Ökolandbauforschung eher auf die obersten zehn Zentimeter. Ändert sich dieser Blick mit Ihren Ergebnissen wieder?
Im tradierten Organischen und Biologisch-Dynamischen Landbau, deren Betriebsorganisation auf dem Rinder haltenden Gemischtbetrieb basiert, wird der Unterboden bewusst oder unbewusst mit Feldfutterbau erschlossen. Mit Luzerne, Rotklee aber auch anderen eine Pfahlwurzel ausbildenden Pflanzen wie zum Beispiel der Lupine. Feldfutterbau mit mehrjähriger Bodenruhe fördert den Regenwurm. Dieser nutzt die von den Pfahlwurzelsystemen geschaffenen Bioporen als Wohnröhre, deren Wandungen er mit Nährstoffen anreichert, indem er sie mit seinen Exkrementen auskleidet, zum Vorteil für die Nährstoffaufnahme durch die Wurzeln der Nachfrüchte. Entgegen früherer Ergebnisse konnten wir mit unseren neuen Methoden wie zum Beispiel der In-Situ-Endoskopie, die aus der Medizintechnik stammt, auch nachweisen, dass Wurzeln das günstige Milieu der Bioporen durchaus verlassen und in den umgebenden nur wenig durchporten Boden wieder einwachsen können.
Was raten Sie Landwirten, die das ganze Potenzial des Bodens erschließen wollen?
Mehrjährigen Feldfutterbau mit Bodenruhe praktizieren: ‚Die Pflanze vor den Pflug spannen‘. Nicht nur auf den nährstoffangereicherten Oberboden zu schauen, sondern auch mit wendender Bodenbearbeitung geschaffene Bioporen abschneiden bzw. unterbrechen, um in einem nächsten Zyklus der Fruchtfolge die Bodenqualität und die Anzahl der Bioporen mit Pfahlwurzeln und Bodenruhe weiter zu erhöhen.