Schwerpunkt

Milch auf dem Hof verarbeiten

Wie vorbereiten? Was bedenken?

von Irene Leifert

Bei Verbrauchern stehen neben Bio-Produkten insbesondere Produkte, die auf landwirtschaftlichen Betrieben selbst hergestellt werden, hoch im Kurs. Dieser Trend nach unverwechselbaren regionalen Produkten mit eindeutiger Identität wird auch zukünftig weiter anhalten.

Dies ist einer der Gründe, warum in den letzten Jahren vermehrt Betriebe die Veredelung ihrer eigenen Milch in die Hand genommen haben. Zusätzlich hat das ausgereifte Konzept der Milchtankstellen viele Betriebe dazu animiert, in die Milchdirektvermarktung einzusteigen. Zurzeit gibt es laut Angabe des Verbands für handwerkliche Milchverarbeitung (VHM) ca. 1.000 Hofkäsereien bzw. Hofmolkereien in Deutschland. Insbesondere Öko-Betriebe, Neueinsteiger in die Landwirtschaft und Betriebsgemeinschaften sind bei den Startups in der Milchverarbeitung für diesen Anstieg verantwortlich. Insgesamt wird ca. ein Prozent der in Deutschland produzierten Milch in Hofkäsereien verarbeitet. Schaf- und Ziegenmilch-Käsereien verarbeiten Mengen von 10.000 bis 80.000 kg und sind somit in der Regel kleiner als Betriebe, die ca. 30.000 bis 2.000.000 kg Kuhmilch pro Betriebsstätte verarbeiten.

Lohnt eine eigene Milchverarbeitungsstätte?

Was muss alles bedacht werden? Womit anfangen? Diese und andere Fragen wechseln sich ab, wenn ein Betrieb mit der Milchverarbeitung starten möchte. Eine Planungsrechnung ist unabdingbar. Sie muss alle Kosten und Leistungen abbilden, damit die Menge an verarbeiteter Milch errechnet werden kann, ab der mit diesem Betriebszweig ein Gewinn erzielt wird. Dazu gehört die Ermittlung der Investitionskosten, der Verkaufserlöse und der zu leistenden Arbeitsstunden mit entsprechender Entlohnung.

Vorbereitung

Einen kühlen Kopf behalten und alle möglichen und unmöglichen Ideen, Wünsche und Sehnsüchte sammeln und aufs Papier bringen – ordnen – Kollegen befragen – Betriebe besichtigen – Seminare besuchen – Fachberater fragen. So fokussieren sich Gedanken und konkrete Vorstellungen entwickeln sich.

Konzept entwickeln

Ein Konzept muss passend zum Standort, zum Betrieb und den persönlichen Vorlieben entstehen. Welches betriebliche und persönliche Ziel soll mit diesem neuen Betriebszweig erreicht werden? Diese Einstiegsfrage muss konkret beantwortet werden. Für Schaf-, Ziegen- oder Büffelmilchbetriebe ist die eigene Milchverarbeitung oft die einzige Chance, um das gesamte Betriebskonzept zu ermöglichen. Es gibt in der Regel keine anderen Vermarktungswege für die Rohmilch, da kaum Verarbeitungsbetriebe existieren. Anders ist es bei Kuhmilchbetrieben: Hier ist eine Ablieferung an eine Molkerei möglich.

Zu Beginn sollte man den Absatzmarkt betrachten: Anhaltspunkte können die Analysen der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft, kurz AMI, geben, die auf Basis des GFK Handelspanels Marktdaten veröffentlichen. Im Jahr 2017 sind dort sowohl Umsatz wie Absatzzuwächse in den Produktgruppen Konsummilch, Milchgetränke, Milchrahmerzeugnisse und Joghurt ermittelt worden. Detaillierte Auswertungen sind in einzelnen Sortimenten für alle Produkte mit EAN Codierung (Produktfertigverpackungen im SB-Bereich) von Bio-Vista, einem unabhängigen Dienstleister für Marktforschung der Bio- und Reformwarenbranche, verfügbar. Daten zur Marktentwicklung einzelner Produkte findet man auch in den Zahlen zum Ökolandbau vom BÖLW.

Für die meisten Milchverarbeiter ist der lokale und regionale Absatzmarkt erstrebenswert. Hier sind Kunden- und Angebotsanalysen vor Ort unabdingbar. Store Checks, ob im Naturkostfachmarkt oder im LEH, zu Sortimenten und Preisen müssen gemacht werden, ebenso wie die Auswertung der Angebotslisten von Fachhändlern. Auch Gespräche mit potenziellen Abnehmern sind manchmal hilfreich. Die Auswertung der gesammelten Daten ergibt eine Aussage zur Tendenz des Sortimentes sowie zu entsprechenden Absatzwegen. Eine Vorentscheidung zum Sortiment muss getroffen werden, daraus ergeben sich die Grundlagen zur konkreten Planung der Ausstattung und zur Größe der Verarbeitungsstätte.

Mögliches Sortiment:

  • Milch: Rohmilch ab Hof, Vorzugsmilch, pasteurisierte Milch
  • Frischprodukte: Joghurt, Frischkäse, Quark, Sahne
  • Käse: Weichkäse, Schnittkäse, Hartkäse
  • Eis

Eine Präferenz für die Herstellung von Rohmilchprodukten oder Produkten aus pasteurisierter Milch sollte festgelegt werden, da diese Entscheidung für die Auswahl der Maschinen und Geräte relevant ist. Zu beachten ist: Sahne und Speiseeis dürfen nicht aus Rohmilch hergestellt werden! Es ist insbesondere für direktvermarktende Betriebe verlockend, aus allen Sortimenten Produkte herzustellen. Das erfordert insbesondere am Anfang eine hohe Intensität an Produktentwicklung und eine hohe Arbeitsbelastung. Zu Beginn ist eine klare Fokussierung hilfreich – nach dem Motto „weniger ist mehr“, da zusätzlich die Vermarktung besonders im Startjahr hoher Aufmerksamkeit bedarf.

Grobplanung erstellen

Passt die Qualität der eigenen Rohmilch zu den angestrebten Produkten? Diese ganz entscheidende Frage muss während des gesamten Entscheidungsprozesses immer wieder betrachtet werden. Untersuchungen der Rohmilch sind zu Beginn und während der Produktion kontinuierlich nötig, denn nur eine gute Rohmilch ist die Grundlage für gute Produkte. Vorstellungen zu Vermarktungswegen, Zielverarbeitungsmengen und Produktverpackungen müssen jetzt entwickelt werden. Das ist die Grundlage für die Ermittlung der Flächengröße der Verarbeitungsstätte, der Raumeinteilung und der Grundrissplanung. Jede Art der Milchverarbeitung muss den Lebensmittelüberwachungsbehörden vor Ort angezeigt werden. Je nach Vermarktungsweg muss zusätzlich ein definiertes Zulassungsverfahren (EU-Zulassung) durchlaufen werden. Wer die nachfolgenden Kriterien erfüllt, benötigt keine EU-Zulassung:

  • Es wird ausschließlich eigene Milch verarbeitet.
  • Die Vermarktung der selbst hergestellten Produkte erfolgt direkt ab Käserei und/oder über eigene Marktstände an den Endverbraucher.
  • Max. 33 % der hergestellten Produkte (Menge) werden in der Region (100 km Radius um den Produktionsstandort) an Einzelhändler vermarktet.

Da zukünftige Entwicklungen nicht immer konkret vorausgesehen werden können, sollten Neuplanungen die Voraussetzungen für eine EU-Zulassung und die aktuelle Gesetzeslage mitberücksichtigen.

Feinplanung erstellen

Eine Liste der Maschinen und Geräte inklusive deren Anschaffungspreise für die vorgesehene Produktlinie ist zu erstellen, woraus sich eine grobe Schätzung der Investitionen ergibt. Die Grundrissplanung muss eine Trennung von Schmutz (Milchlager, Energieversorgung, Leergutlager, Lager für Verpackungsmaterial, Sanitär­anlagen, Aufenthaltsräume ...) und Reinbereichen (Räume für Produktion, spülen, abfüllen, verpacken, reifen, lagern ...) gewährleisten. Eine besondere Herausforderung sind die Schnittstellen zwischen Schmutz- und Reinzonen. Eine mögliche Lösung kann wie in der Abbildung dargestellt aussehen – stark vereinfachte Darstellung. Die Raumgliederung und der Raumbedarf ist individuell zu bestimmen, denn Verarbeitungsmenge und Produktsortiment haben unterschiedliche Auswirkungen auf diese beiden Komponenten. Einige Beispiele:

  • Flächenbedarf Produktionsraum = Stellfläche der Maschinen und Geräte x 4 (der Multiplikationsfaktor bildet Lauf- und Freiflächen mit ab). Faustzahlen aus der Praxis: 20–40 m² für jährliche Verarbeitungsmengen von 20.000–50.000 kg / 50–100 m² für 100.000–300.000 kg
  • Die Frischkäseproduktion benötigt eine 7 x größere Abtropffläche als die Hartkäseproduktion
  • Für Frischkäseproduktion evtl. separaten Abtropfraum einkalkulieren.
  • Pfandgläser: großer Bedarf an Lagerplatz- und Spülkapazitäten
  • Einmalverkaufsverpackungen (Becher): großer Lagerplatzbedarf
  • Milch- und Frischprodukte: kurzfristig großer Bedarf an Kühlfläche
  • Käse: je länger die Reifung, desto größer der Bedarf an Reiferaumfläche
  • Hygieneschleuse: je mehr Arbeitskräfte, desto größer der Raumbedarf

Anhand der so ermittelten Grundfläche können mit Architektenfaustzahlen Gebäudekosten und eine erste grobe Schätzung der gesamten Investitionskosten ermittelt werden. Diese schwanken in der Realität sehr stark! Als Faustzahl werden sie mit 0,50 bis zwei Euro je Liter Verarbeitungsmilch pro Jahr angegeben.

Mit den vorliegenden Ergebnissen wird eine Kosten-Leistungsplanungsrechnung mit dem Ziel erstellt, die Mindestmenge an Verarbeitungsmilch zu ermitteln, die erreicht werden muss, um die Verarbeitungsstätte wirtschaftlich zu führen. Jetzt ist eine gute Entscheidungsgrundlage für die nächsten Umsetzungsschritte geschaffen. Die Umsetzung der rechtlichen Anforderungen muss mit entsprechenden Behörden geklärt werden, wie z. B. Bauvoranfrage, Anforderungen der Lebensmittelüberwachungsbehörde usw. Sie sollte erst dann gemacht werden, wenn der eigene Informationsstand gefestigt ist und die Umsetzungsschritte klar sind. Das Vorstellen der eigenen Pläne vor Ort und Erörterung insbesondere mit den Lebensmittelüberwachungsbehörden schaffen ein gutes Arbeitsklima: Anforderungen der Behörde können mit in die weitere Planung integriert werden.

Was noch beachtet werden muss

Bestehen seitens der Milcherzeuger Lieferverträge mit Molkereien, sind die Konditionen vor Beginn der Milchverarbeitung zu prüfen, und entsprechend der eigenen angestrebten Entwicklung sind Änderungen oder Kündigungen auszusprechen. Die Verarbeitung der eigenen Milch gehört steuerlich zur ersten Verarbeitungsstufe und kann im landwirtschaftlichen Betrieb als Nebenbetrieb abgebildet werden; es gibt in dem Fall keine Mengen- oder Umsatzgrenzen. Nach dem Beginn der Tätigkeit ist dieser Bereich auch bei der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft zu melden. Achtung jedoch beim Milchzukauf bzw. bei der Lohnverarbeitung von Fremdmilch! Wird ein Umsatz von 51.500 € aus Zukaufmilch bzw. aller Lohnarbeiten erzielt und ist diese Summe größer als 50 % des Gesamtumsatzes, dann sollte der Steuerberater die Ausgliederung dieses Betriebszweiges aus der Landwirtschaft prüfen. Es gibt bundesweit unterschiedliche Einschätzungen der Finanzbehörden, deshalb sollte jeder Betrieb seinen Status individuell prüfen lassen. Wird die Milchverarbeitung als Gewerbebetrieb geführt, so sind die Auswirkungen zu bedenken: Es besteht Buchführungs- und Umsatzsteuerpflicht, privilegiertes Bauen ist eventuell eingeschränkt, erhöhter Verwaltungsaufwand für Meldungen und Statistiken entsteht, eine Mitgliedschaft in einer Berufsgenossenschaft ist anzustreben und Gewerbeförderungen können in Anspruch genommen werden.

Von der ersten Idee bis zum ersten Milchprodukt wird für Vorbereitung, die Planung und Umsetzung oft viel Zeit benötigt, denn die zu bearbeitenden Themen sind komplex, Genehmigungen von Behörden sind erforderlich und Geldmittel sind zu beschaffen. Mit einem solchen Schritt legt sich der Betrieb für viele Jahre in seiner Entwicklung fest. Deshalb sollten bei solch grundlegenden Projekten externe Fachkompetenzen eingebunden werden, die nicht nur allgemein, sondern individuell auf den Betrieb und seine konkrete Themenstellung zugeschnitten beraten. Individuelle Beratung bedeutet für mich: Prozessbegleitung inkl. Betriebsbesuche, telefonische Beratung sowie Konzepterarbeitung, Planungsrechnung und Ausarbeitung von Geschäftsplänen.

 

Literatur: M. Albrecht-Seidel, L. Mertz (2014): Die Hofkäserei: Planung, Einrichtung, Produktion, Grundrezepte.
Ulmer Eugen Verlag, 229 S. ISBN: 3800178877, 978
3800178872

Autorin: Irene Leifert

Unternehmensberaterin für Hofverarbeitung und Direktvermarktung im ökologischen Landbau

www.irene-leifert.de

Irene Leifert ist Mitglied im Beraternetzwerk des Verbandes für handwerkliche Milchverarbeitung und kann dank langjähriger Praxiserfahrung in der Milchverarbeitung und der Bio-Vermarktung auf Spezialwissen rund um die Hofverarbeitung zurückgreifen.