Schwerpunkt

Landwirtschaft und Umweltfolgekosten

Welche Lebensmittel teurer sein müssten

von Amelie Michalke, Maximilian Pieper und Dr. Tobias Gaugler

Als größter Flächennutzer nimmt die Landwirtschaft eine zentrale Rolle beim Erreichen nachhaltiger Entwicklungsziele ein. Folgen landwirtschaftlicher Produktion nehmen Einfluss auf alle drei Säulen der Nachhaltigkeit: auf Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft. Unter anderem belasten Emissionen die Umwelt und haben als sogenannte externe Effekte auch Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. So führen sie zu Preisverzerrungen, da ihre Effekte aktuell unzureichend in den Marktpreis der Lebensmittel einbezogen werden. Vor diesem Hintergrund untersuchten wir Stickstoff, Treib­hausgase und Energieerzeugung als drei Treiber landwirtschaftlicher Umweltfolgen, um für unterschiedliche Nahrungsmittelgruppen die externen Kosten zu berechnen, die diese Treiber verursachen. Dabei unterscheiden wir nach konventionellen und ökologischen Produktionssystemen und nach Lebensmitteln tierischen und pflanzlichen Ursprungs.

Einpreisen von Umweltfolgen würde den Markt lenken

Statistische Auswertungen bisheriger Forschungen zeigen, dass konventionell hergestellte, tierische Nahrungsmittel die vergleichsweise höchsten externen Effekte verursachen, während die ökologische Produktion pflanzlicher Nahrungsmittel die geringsten Folgekosten mit sich bringt. Eine Internalisierung der Folgekosten jedoch trägt zu einer nachhaltigeren landwirtschaftlichen Produktion bei, da sie die Differenz zwischen den aktuellen Marktpreisen und dem tatsächlichen Wert der Lebensmittel verrin­gert. Würden die Umweltfolgekosten den Lebensmitteln preislich aufgeschlagen, die sie verursachen, würde dies zu einer Nachfrageänderung führen: Lebensmittel mit großem „Emissionsrucksack“ würden in geringerem Umfang nachgefragt. Für umweltfreundlich hergestellte Lebensmittel würde die Nachfrage steigen. Aktuelle Forschungsergebnisse, auch auf globaler Ebene, bestätigen, dass solch ein verändertes Konsumverhalten die wirkungsvollste Maßnahme ist, um den persönlichen ökologischen Fußabdruck zu verringern.

Bisher ist es jedoch keiner Forschungsarbeit gelungen, die Folgekosten der deutschen Nahrungsmittelproduktion für unterschiedliche Lebensmittelgruppen umfassend zu berechnen. Um diese Forschungslücke zu schließen, berechneten wir zunächst verursacherbezogen externe Kosten der deutschen Landwirtschaft. Daraus resultieren, bezogen auf die derzeitigen Erzeugerpreise, nötige Preisaufschläge. Wir wollten eine realistischere Preisstruktur verschiedener Lebensmittelgruppen identifizieren, indem wir die nachweisbaren Folgekosten von Stickstoff, Treibhausgasen und der Energieerzeugung in unsere Untersuchung aufnahmen.

Methodisches Vorgehen

Bei der Aufstellung der Produktionsmengen je Lebensmittelgruppe, die zur Erfassung der Emissionen nötig ist, wurden pflanzliche Futtermittel der tierischen Produktgruppe zugeordnet. Milch(produkte) sind losgelöst von den restlichen tierischen Produkten eine eigene Gruppe, da sich das hohe Produktionsvolumen und der vergleichsweise geringe Preis andernfalls verzerrend auf die Gruppe der tierischen Lebensmittel auswirken würde. Emissionen wurden vom Ursprung der Produktion bis zum Scheunentor („cradle to farmgate“) ermittelt. Es wurden also alle Inputs entlang der Prozesskette bis zum Verkauf durch den Primärerzeuger mit in die Berechnung aufgenommen, dadurch ist beispielsweise auch importiertes Tierfutter einbezogen. Die Emissionsmengen ermittelten wir mit dem Lebenszyklusanalyse-Modell GEMIS. Da sich die Datensätze von GEMIS ausschließlich auf konventionelle Produktionsprozesse beziehen, wurde eine Meta-Analyse durchgeführt, um die Emissionsmengen der ökologischen Produktion dazu in Bezug zu setzen. Um die externen Kosten zu berechnen, wurde die aufgestellte Datenbasis monetarisiert. Schließlich wurden die so berechneten Schadkosten der verschiedenen Lebensmittelgruppen den Erzeugerpreisen des Jahres 2016 aufgeschlagen.

Ergebnisse: Von aktuellen zu verursachergerechten, fairen Preisen

In der Abbildung sind die Aufschläge dargestellt, die nach der beschriebenen Methodik die Folgekosten der Emissionen abdecken. Aufschläge bei tierischen Produkten sind jeweils am höchsten, während pflanzliche Produkte die geringsten Aufschläge bekommen. Die Aufschläge für Milch(produkte) liegen im Mittelfeld. Konventionelle Produkte erhalten durchweg einen höheren Preisaufschlag als biologische. Beispielsweise müssten konventionell-tierische Nahrungsmittel auf Basis der Erzeugerpreise fast dreimal so teuer sein wie derzeit (aktueller Erzeugerpreis plus 196 %). Den größten Preistreiber stellen die aus Stickstoffemissionen resultierenden Folgekosten dar. Auf Absolutbeträge umgerechnet folgt aus diesen relativen Preisaufschlägen, dass konventionell-tierische Produkte um 3,57€/kg, konventionelle Milch(produkte) um 0,25€/kg, konventionell-pflanzliche Produkte um 0,04€/kg, biologisch-tierische um 2,83€/kg, biologische Milch(produkte) um 0,17€/kg und biologisch-pflanzliche Produkte um 0,03€/kg teurer werden müssten.

Konventionelle Lebensmittel sind zu billig:

Handlungsbedarf für die Politik

Auffallend sind die sehr hohen Aufschläge für tierische Produkte insbesondere aus konventioneller, sowie – abgeschwächt – aus biologischer Produktion. Das ist auf die ressourcenintensive Aufzucht der Nutztiere und vorgelagerte Prozesse wie Futtermittelanbau, Beheizung und Belüftung der Ställe, sowie den Metabolismus der Tiere zurückzuführen. Die ökologische Produktion schneidet im Vergleich zu konventionellen Praktiken positiver ab, weil hier weder Pflanzenschutzmittel noch künstliche Stickstoffdünger sowie ein geringerer Einsatz industriell produzierten Kraftfutters ins Gewicht fallen.

Aufgabe der Politik muss es nun sein, die Lebensmittel, die sehr negative Umweltwirkung haben, steuerlich zu belasten und die Mehreinnahmen – unserer Ansicht nach aufkommensneutral – zur Förderung von Lebensmitteln mit geringen Umweltfolgekosten zu nutzen. Nahrungsmittel mit geringeren Umweltauswirkungen würden somit preisliche Vorteile erhalten und die Nachfrage nach diesen Gruppen würde stark ansteigen. Das Kaufverhalten und letztlich auch die Produktionslandschaft würden sich im positiven Sinne für Umwelt und Gesellschaft ändern.

Auf Konsumentenseite soll unser Ansatz dazu beitragen, das Bewusstsein über die Auswirkungen der täglichen Konsumentscheidungen zu schärfen und zu verantwortlichem Konsum anzuregen. Auf gesellschaftlicher Ebene soll er einen Beitrag zur Korrektur aktueller Marktfehler und zu einer faireren Preissetzung auf den Lebensmittelmärkten leisten. Ökonomisch betrachtet würden verursachergerechte Lebensmittelpreise zu einer gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrtssteigerung führen.

In unsere Berechnungen sind bisher die drei Treiber Stickstoff, Treibhausgase und Energieerzeugung eingeflossen. Würden zusätzlich die Auswirkungen der Pestizidnutzung, die Feinstaubbelastung durch landwirtschaftliche Produktion oder gesundheitliche Folgen des landwirtschaftlichen Antibiotikaeinsatzes Berücksichtigung finden, würden sich die bisherigen Aufschläge für konventionelle Produkte noch deutlich erhöhen.

Autoren: Amelie Michalke, Maximilian Pieper und Dr. Tobias Gaugler

Märkte für Menschen Netzwerk, www.maerkte-fuer-menschen.net
Kontakt: amelie.michalke(at)marketsformankind.net

Literatur

  • Gaugler T. & Michalke A. (2017): Was kosten uns Lebensmittel wirklich? Ansätze zur Internalisierung externer Effekte der Landwirtschaft am Beispiel Stickstoff. GAIA – Ecological Perspectives for Science and Society 26 (2): 156–157.

  • IINAS (2017): GEMIS – Globales Emissions-Modell Integrierter Systeme, Version 4.95.

  • Poore J & Nemecek T (2018): Reducing food‘s environmental impacts through producers and consumers. Science 360 (6392): 987–992.

  • UN (1992): Report of the United Nations Conference on Environment and Development.