Schwerpunkt

Biodynamischer Anbau für Kosmetik und Arzneien

Wie die Qualität der Rohstoffe beeinflusst werden kann

von Dr. Bettina Egle

Wie wird die beste Rohstoffqualität für Kosmetik oder Arznei erreicht? Welche Herausforderungen und Möglichkeiten gibt es im biodynamischen Anbau von Heilpflanzen, um ihre Inhaltsstoffe positiv zu beeinflussen? Ich war im Gespräch mit Bernhard Ehrmann, Leitender Gärtner im Garten der WALA Heilmittel GmbH, und mit Michael Straub, Leiter der Gärtnerei von Weleda.

Die Gärtnerei von Dr. Hauschka und WALA ist circa drei Hektar groß und befindet sich in Bad Boll. Die kultivierten Pflanzen werden von der Aussaat bis zur Samenreife begleitet, eine durchgängige Dokumentation hält alle Saat- und Erntezeitpunkte, den genauen Standort und Pflegemaßnahmen fest. Bei der Anlage des Gartens war die ganzheitliche Herangehensweise maßgeblich: Es gibt unter anderem einen Teich, fein verteilte Heckenbereiche, Wiesen und Bäume. Das Zentrum ist von einem Bienenhaus und dem Kompost, dem zentralen Element für die Bodengesundheit, geprägt.

Handarbeit und individuelle Betreuung zahlen sich in guter Qualität aus

Der Anbau und die Ernte der Heilpflanzen finden ausschließlich von Hand statt – so wird eine intensive Beziehung zu den Pflanzen aufgebaut. Nur die grasbewachsenen Gartenwege werden für die zahlreichen Besucher mit dem Rasenmäher gemäht. Acht Gärtner sind für mehr als 150 Pflanzenarten zuständig. Jeder Gärtner betreut als persönliche Bezugsperson rund 20 Pflanzenarten und kann so auf die pflanzliche Individualität eingehen, ihre Ansprüche und Zustand täglich wahrnehmen und danach handeln, so wird eine intensive Beziehung zur Pflanze aufgebaut. Heilpflanzen haben unterschiedliche Ansprüche an ihre Umgebung und manche wachsen kultiviert ganz anders, nicht arttypisch, als am Wildstandort. Der Spitzwegerich ist dafür ein Beispiel: Kultiviert wird er bis zu 40 cm groß und fast buschförmig. Deshalb gibt es im Garten einen Wiesenbereich, in dem er seinen ursprünglichen Phänotyp mit feinen schmalen Blättern und Ausbildung einer Rosette beibehält. Die Pflanze ist immer Ausdruck ihrer Umgebung. Edelweiß etwa kann nur im Hochgebirge seine Geste, also seine Wuchsentwicklung, und seine Ausprägung erhalten – und damit auch seine Wirkung. Daher wird er aus kontrollierter Wildsammlung zugekauft. Viele Pflanzen haben sehr spezifische Einzelansprüche und Ausdrucksformen, wie die zahlreich vertretenen Giftpflanzen. Man könnte sie fast als Diven bezeichnen. Deshalb sind einige mehrfach in unterschiedlichen Bereichen des Gartens anzutreffen, um zu gewährleisten, dass immer gute Qualität geerntet werden kann. Je nach klimatischem Jahresverlauf gedeihen sie anders: Der Eisenhut wächst am liebsten an feuchten, halbschattigen bis sonnigen nährstoffreichen Plätzen und gedeiht in sehr heißen und trockenen Jahren weniger gut.

Den Boden bereiten: Biodynamische Präparate

Der Boden soll humos, durchlässig und offen für die Bedürfnisse der Pflanzen sein. Unterschiedliche Komposte werden aus Laub, Holzhäckseln, Pflanzenresten und Mist komponiert, werden zweimal pro Jahr von Hand umgesetzt, mit den selbst hergestellten Präparaten behandelt und reifen mindestens zweieinhalb Jahre. Die Anwendung der Präparate ist wichtig, um die Ausprägung der Pflanze zu verstärken und die feinstofflichen Beziehungen zu kräftigen. Ihre Anwendung folgt keinem festen Schema; anhand der Entwicklung der Pflanze wird entschieden, ob und welches Präparat angewendet wird. Die Kompostgaben finden ausschließlich zur Gründüngung und nie direkt zur Kulturpflanze statt. Das würde die vegetative Phase in den Vordergrund stellen, was nicht gewünscht ist. Es soll nicht üppiges, sondern qualitativ hochwertiges Pflanzenmaterial entstehen. Der Anbauzyklus für die Heilpflanzen ist sehr unterschiedlich, von ein- bis 20-jährig. So gibt es neben neben dem einjährigen Beifuß oder der Sonnenblume auch Bestände des Gelben Enzians und der Alraune, die viele Jahre alt werden. Um alle Ernten durchführen und eine qualitative Auswahl treffen zu können, müssen immer ausreichend erntefähige Pflanzen zur Verfügung stehen.

Ernte und Weiterverarbeitung der Heilpflanzen

Für die Tinkturen werden, neben wenigen Samendrogen, frische, vollkommen gesunde Pflanzen verwendet. Die ausschließlich von Hand durchgeführten Ernten finden vor Sonnenaufgang statt, dann ist die Pflanze ausgeruht, erfrischt und geordnet. Die Menschen aus der Tinkturenherstellung bestimmen die Erntepflanzen nach ihrem ganzheitlichen Ausdruck und wählen die Pflanzenteile aus, welche nach ihrer jeweiligen Geste der Verwendung im Heilmittel entsprechen. Manche Pflanzen sind generell nicht maschinell erntbar, wie die Calendula. Hier wird nur den Blütenkopf verwendet, der mit den Fingern abgeknipst wird. Bei einer maschinellen Ernte wäre zu viel grünes Pflanzenmaterial in der Ernteware. Bei den Ernten auf dem großen Ringelblumenfeld des WALA-eigenen Sonnenhofs sind bis zu 30 Helfer aus verschiedensten Bereichen der WALA beteiligt.

„Das Wesen der Heilpflanze kann nur durch einen artgerechten Anbau angesprochen werden“

... sagt Michael Straub. Die Weleda-Gärtnerei in Schwäbisch Gmünd hat eine Fläche von 23,5 Hektar. Dreißig Menschen und zusätzliche Saisonarbeiter für die Ernte sind hier beschäftigt. Über 120 Pflanzenarten werden kultiviert und eigenes Saatgut sowie Jungpflanzen gezogen. Die Heilpflanzen werden zu Auszügen, Tinkturen, Ölen und Drogen verarbeitet. Neben der Handarbeit kommen auch Maschinen wie Hacke oder Pflanzmaschine zum Einsatz – wenn das Pflanzgut und der Boden es zulässt. Nach der Ernte wird das Erntegut direkt angesetzt oder in Trockenschränken getrocknet, um die Inhaltsstoffe bestmöglich zu erhalten.

Der Garten wird als Organismus begriffen: Für den Schutz rundum und für Strukturen innerhalb wurden vier Kilometer Hecken angelegt. Diese sind Nahrungsquelle für Vögel und Insekten und werden teilweise auch beerntet wie z. B. Sanddorn, Hamamelis, Berberitze und Schlehe. Ein großer Teich im Eingangsbereich und zwei weitere auf dem Gelände sind von einheimischen Fischarten und Flusskrebsen bevölkert. Nach dem Organismus-Konzept werden natürliche Prozesse so stimuliert, dass sich die Natur selbst helfen kann. Natürliche Kräfte und Prozesse werden unterstützt. Heilpflanzen, die sich ohne künstliche Hilfsmittel durchsetzen, haben eine besondere Qualität, sie bringen die Fähigkeit zur Selbstregulation aus ihrer eigenen Biografie mit und haben viele sekundäre Inhaltsstoffe, die teilweise auch therapeutisch relevant sind.

Es sind ein- bis mehrjährige Pflanzen genauso wie Bäume im Garten, alle haben eine Heilwirkung – der Grund, warum sie dort stehen. Auch Tiere sind sehr wichtig: Enten zur Schneckenregula­tion, Schafe, um die Grünflächen zu weiden. Ein Drittel der Anbaufläche ist mit Gründüngung für die Bodenfruchtbarkeit angesät und Komposte werden gepflegt. Für die Komposte werden Pflanzenreste aus der Tinkturen-Herstellung, teilweise Grünschnitt der Hecken und Mist aus einer Futter-Mistkooperation mit einem benachbarten Biobetrieb, der Mutterkuhhaltung betreibt, genutzt.

Ganzheitliche Betrachtung: Die Natur der Pflanze kennen und bewahren

Die Grundlage für den Heilpflanzenanbau ist neben der biodynamischen Wirtschaftsweise die goetheanistische Pflanzenbetrachtung; die biodynamischen Kompost- und Spritzpräparate werden alle selbst hergestellt. Eine Besonderheit ist die Vegetabilisierung von Metallen, in der die pharmazeutische Zusammenwirkung von Pflanze, Mineral und Planet genutzt wird, beispielhaft beim Johanniskraut: Johanniskraut ist der Sonne und dem Licht zugeordnet und hat somit eine Beziehung zu Gold. Daher bekommen die Pflanzen eines Beetes eine Düngung mit Gold. Der Metall-Dünger wird nach einer speziellen Aufbereitung mit einem neutralen Trägerstoff, wie zum Beispiel Cellulose, zum gebrauchsfertigen Dünger verdünnt. Die Vegetabilisierung von Metallen, ein Alleinstellungsmerkmal bei Weleda, kann als eine Art Potenzierung durch eine Pflanzenart mit einer Beziehung zu einem bestimmten Metall betrachtet werden. Die Heilpflanzen werden während der Aufzucht mit einem verdünnten anorganischen Metall-Dünger behandelt, also „gedüngt“, im jeweils entsprechenden Entwicklungsstadium, vornehmlich als blühende Pflanzen, geerntet und schließlich kompostiert. Der erhaltene Kompost dieses ersten Zyklus wird der Erde beigemischt, in die die Samen derselben Heilpflanzenart gesät werden. Der Prozess des „Düngens“ mit den kompostierten Pflanzen des zweiten Zyklus wiederholt sich nochmals in einem dritten Zyklus. Aus den Frischpflanzen des dritten Zyklus werden Tinkturen hergestellt, und diese zu Arzneimitteln weiterverarbeitet, die selbst bei schweren Depressionen helfen.

Um den Ansprüchen der Pflanzen im Anbau möglichst gerecht zu werden, wachsen manche, wie Farn, im Beschattungstunnel. Andere­ wachsen unter Glas, wie die Goethepflanze, die auch als Wunder- oder Brutblatt bekannt ist, weil sie tropisches Klima wie an ihrem Herkunftsort Madagaskar braucht. Heilpflanzenanbau ist hochspezialisiert und verlangt vom Gärtner Fachwissen und tech­nische Ausstattung. So braucht Arnika beispielsweise viel Eisen im Boden und einen sehr niedrigen pH-Wert, was vor Ort nur in einigen­ Beeten möglich ist. Daher werden im Weleda-Garten nur Arnikawurzeln geerntet. Blüten und blühendes Kraut werden von einem spezialisierten Betrieb in der Nähe von Gießen und von einem Erzeuger in Rumänien aus nachhaltiger Wildsammlung und Anbau bezogen. Die Gärtner arbeiten aktuell an Versuchen, ob und wie Wildkräuter wie z. B. kanadische Gelbwurzel (Hydrastis canadensis) in Kultur genommen werden können, ohne dass ihre ursprüngliche Qualität verloren geht. Wenn größere Mengen Wildkräuter gesammelt würden, wäre die Entnahme aus der Natur zu groß; viele Arten sind auch geschützt und müssen angebaut werden. Vollständig auf Wildsammlung zu verzichten ist allerdings nicht sinnvoll, da die Wildstandorte erhalten werden müssen und dies ist nur möglich, wenn durch die Ernte eine Inwertsetzung der Habitate stattfindet.

Autorin: Dr. Bettina Egle
Demeter-Beratung e. V.
bettina.egle(at)demeter-beratung.de

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