Schwerpunkt

Klimaschutz: wo kann der Ökolandbau besser werden?

Interview mit Prof. Kurt-Jürgen Hülsbergen, TUM

Fragen: Michael Olbrich-Majer

Herr Prof. Hülsbergen, im Pilotbetriebe-Projekt verglichen Sie und Ihre Kollegen über gut zehn Jahre vierzig Betriebspaare, die jeweils ökologisch bzw. konventionell wirtschafteten. Mit dabei waren auch biologisch-dynamisch wirtschaftende Betriebe. Haben sich dabei Verfahren oder Maßnahmen gezeigt, die über alle bezüglich Klimaschutz effizienten Betriebe besonders wirkungsvoll sind?

Wir haben im Pilotbetriebe-Projekt die Klimawirkungen des Pflanzenbaus und der Milchviehhaltung untersucht. Auf der Grundlage von Standort- und Betriebsdaten wurden die wichtigsten Treibhausgasflüsse berechnet, aber auch Minderungspotenziale durch die Kohlenstoffbindung in Böden berücksichtigt. In der THG-Bilanzierung des Pflanzenbaues werden neben den Lachgas (N2O)-Emissionen in Abhängigkeit vom N-Input und den CO2-Emissionen durch den Energieeinsatz auch die Freisetzung bzw. Bindung von Kohlenstoff im Boden (C-Sequestrierung) mitberücksichtigt.

Lachgas ist ein sehr wirksames Treibhausgas mit einem spezifischen Treibhausgaspotenzial von etwa 300 (bezogen auf die Wirkung von CO2=1). Dies bedeutet, dass bereits relativ geringe N2O-Emissionen deutlichen Einfluss auf die gesamte Treibhausgasbilanz haben. Die Lachgasemissionen sind abhängig von Standort und Bewirtschaftung. Ein wesentlicher Einflussfaktor ist das betriebliche Stickstoffmanagement. Steigende und überhöhte Stickstoffgaben führen zu einem überproportionalen Anstieg der Lachgasflüsse. Daher ist das Erhöhen der Stickstoffeffizienz ein Schlüsselfaktor zur Minderung von N2O-Flüssen. Als wesentliche Indikatoren zur Beurteilung des Stickstoffmana­gements der Betriebe haben wir das Stickstoffsaldo (= Stickstoffverlustpotenzial) und die Stickstoffeffizienz verwendet. Die von uns untersuchten Ökobetriebe setzen weniger Stickstoff ein, haben deutlich geringere Stickstoffsalden und überwiegend höhere Stickstoffeffizienzen als die konventionellen Vergleichsbetriebe.

In der Milchviehhaltung gibt es extrem viele Einflussfaktoren auf die Treibhausgasflüsse – z. B. Futtererzeugung und Futterzukauf, Futterregime, Tierleistung, Laktationszahl, Haltungsbedingungen und Weidegang, Wirtschaftsdüngerlagerung; entsprechend aufwändig sind die Treibhausgasbilanzen. Unser Ziel war es, möglichst vollständige und aussagekräftige Bilanzen zu berechnen, und daher neben den stoffwechselbedingten Methanemissionen der Milchkühe z.B. auch die Emissionen bei der Futtererzeugung einzubeziehen, einschließlich des Einsatzes von Sojafuttermitteln in der konventionellen Milchviehhaltung.

Unsere Untersuchungen in den Pilotbetrieben zeigen, dass mit steigender Milchleistung die produktbezogenen Treibhausgasemissionen (je kg Milch) bis zu einem Minimum sinken; bei noch höheren Leistungen steigen sie wieder an. Es hat also auch aus Sicht des Klimaschutzes keinen Sinn, die Milchleistung extrem zu steigern; wichtiger ist eine hohe Lebensleistung der Kühe.

Wie sieht es aus mit Unterschieden zwischen den Betriebsformen?

Die Ergebnisse zeigen eine deutliche Differenzierung der Klimawirkungen nicht nur zwischen ökologischem und konventionellem Landbau, sondern auch innerhalb des Ökolandbaus wurden in Abhängigkeit vom Betriebstyp deutliche Unterschiede gefunden.

So haben die ökologischen Milchvieh-Gemischtbetriebe im Vergleich zu den ökologischen Marktfruchtbetrieben im Pflanzenbau deutlich höhere Erträge und Stickstoffentzüge, entsprechend geringere Stickstoffsalden und höhere Stickstoffeffizienzen. Auch die Energieeffizienz war in den Gemischtbetrieben höher als in den Marktfruchtbetrieben.

Der größte Unterschied zeigte sich jedoch bei den Humusbilanzen. Nach unseren Berechnungen führen der hohe Kleegrasanteil in der Fruchtfolge, die Futternutzung des Kleegrases und der Einsatz hochwertiger Wirtschaftsdünger aus der Milchviehhaltung zu einer positiven Kohlenstoffbilanz der Böden. Bei allen von uns ausgewerteten Indikatoren war der vielseitig organisierte ökologische Gemischtbetrieb dem ökologischen Marktfruchtbetrieb überlegen.

Andererseits treten in der Milchviehhaltung bedeutende Treibhausgasflüsse auf, die es im Pflanzenbau nicht gibt, vor allem die Methanemissionen aus der Verdauung der Nutztiere. Jedoch trägt die Milchviehhaltung zur effizienten Nutzung und Erhaltung des Dauergrünlands bei; Grünlandflächen speichern mehr Bodenkohlenstoff als Ackerflächen. Die Milchviehhaltung hat zudem wichtige Funktionen im betrieblichen Nährstoffkreislauf – sie fördert die Humus- und Nährstoffversorgung von Böden und Pflanzen und ist eine wesentliche Grundlage zur Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit. Daher kann man keinesfalls die ökologische Bedeutung der Milchkühe auf die Methanemissionen reduzieren.

In den Ergebnissen wird auch innerhalb des Ökolandbaus eine große Streuung erkennbar: Wodurch ergibt sich die?

Es zeigte sich eine beachtliche Variabilität der einzelbetrieblichen Ergebnisse, bedingt durch Standorteinflüsse, Betriebsleiter- und Managementeinflüsse, vor allem auch durch die Wirkung der unterschiedlichen Betriebsstrukturen. Wir sind mit den Pilotbetrieben bewusst in unterschiedliche Boden-Klimaregionen gegangen, um den Einfluss der Standortpotenziale zu prüfen. Aber auch unter gleichen Standortbedingungen gibt es bedeutende Unterschiede bei den flächen- und produktbezogenen Treibhausgasflüssen, wie die Betriebsvergleiche zeigen. Daher haben wir im Dialog mit den Betriebsleitern einzelbetriebliche Ursachen überhöhter Emissionen aufgedeckt und Optimierungsstrategien abgeleitet. Die Ergebnisse der Betriebsoptimierung werden wir in unserem umfassenden Forschungsbericht darstellen, der Anfang kommenden Jahres erscheinen wird.

Zeigt dies, wo der Ökolandbau besser werden kann?

Aus der betriebsindividuellen Optimierung der Pilotbetriebe können auch allgemeine Schlussfolgerungen gezogen werden, z.B.

  • Langjährig negative Stickstoff-, Phosphor- und Humusbilanzen sollten­ unbedingt vermieden werden. Die Pilotbetriebe sind hierzu unterschiedliche Wege gegangen. Ein biologisch-dynamischer Pilotbetrieb hat z.B. die Phosphorversorgung durch eine Futter-Mistkooperation verbessert (überbetriebliche Stoffkreisläufe), mehrere Marktfruchtbetriebe haben die Nährstoffversorgung durch den Einsatz von Biogas-Gärresten und Komposten (regionale Stoffkreisläufe) verbessert. Wir entwickeln derzeit ein webbasiertes Nährstoffmanagementsystem (Web-Man) für den ökologischen Landbau, mit dem die Düngeplanung und die Berechnung betrieblicher Nährstoffkreisläufe unterstützt wird. Jeder Betriebsleiter sollte seine Nährstoffbilanzen kennen, um entsprechend reagieren zu können.
  • Die Humusversorgung landwirtschaftlich genutzter Böden ist nicht nur für die Bodenfruchtbarkeit und Ertragsbildung ausschlaggebend, sondern aufgrund der Kohlenstoffbindung auch eine relevante Größe im globalen Kohlenstoffkreislauf. Humusaufbau dient auch dem Klimaschutz. Wir haben Ökobetriebe gefunden, die eine vorbildliche Humuswirtschaft betrieben, aber auch Betriebe mit eindeutig negativen Humusbilanzen – hier besteht Optimierungsbedarf.

Auf die Fläche bezogen ist der Ökolandbau meist vorteilhafter fürs Klima, bezogen aufs Kilo ziehen konventionelle Bauern fast gleich: Jürgen Heß forderte im Interview mit uns, dass der Ökolandbau hier erheblich effizienter werden muss: Wo sollten Ökobauern da vor allem ansetzen?

Flächenbezogen betragen die Treibhausgasemissionen nur etwa 50 % der Emissionen konventioneller Vergleichsbetriebe. Aber auch unter Berücksichtigung der geringeren Erträge sind in unserer Untersuchung die produktbezogenen Treibhausgasemissionen der Ökobetriebe geringer als in den konventionellen Betrieben. Allerdings sollte die „Ertragslücke“ zwischen ökologischen und konventionellen Betrieben nicht größer werden.

Nachhaltige Ertragssteigerungen im Ökolandbau sind daher ein wichtiges Thema – hierfür gibt es unterschiedlichste Ansätze von der Züchtung geeigneter Sorten über den biologischen Pflanzenschutz bis zur besseren Humus- und Nährstoffversorgung.

Im Projekt wurde durchgängig Humus bilanziert. Ist die Seques­trierung von Kohlenstoff im Oberboden wirklich eine relevante Stellschraube für den Klimaschutz oder bringen andere Maßnahmen vielleicht mehr?

In der Gesamtschau aller möglichen Einflussfaktoren hat sich die Humusanreicherung als eine der wichtigsten und oftmals auch sofort umsetzbaren Maßnahmen erwiesen. Sehr positiven Einfluss auf die Humusbilanz haben z.B. der mehrjährige Luzerne-Kleegrasanbau und der Einsatz von Stallmist-Kompost. Aber auch Agroforstsysteme können zur Kohlenstoffspeicherung beitragen. Extrem negativ wirken sich hingegen Landnutzungsänderungen wie ein Grünlandumbruch, aber auch der Umbruch von langjährigen Stilllegungsflächen mit anschließender ackerbaulicher Nutzung aus.

Noch nicht abschließend beurteilen können wir den Einsatz von Pflanzenkohle. Hierzu haben wir in diesem Jahr Dauerfeldexperimente begonnen, in denen der Einfluss von Pflanzenkohle in Kombination mit Stallmist- und Grüngutkompost auf die Kohlenstoff- und Stickstoffdynamik von Böden untersucht wird.

Sie haben auch versucht, die Landnutzungseffizienz zu beschreiben, was ja angesichts begrenzter Landwirtschaftsfläche ein wichtiger Maßstab sein kann: Wie wird diese charakterisiert?

Bei der Landnutzungseffizienz analysieren wir die Ertragsbildung landwirtschaftlicher Betriebe in Relation zum standortspezifischen Ertragspotenzial. Eine methodische Herausforderung hierbei ist die Bewertung von Fruchtfolgen, in denen sehr unterschiedliche Produkte erzeugt werden, die entsprechend ihrer Nährstoffgehalte und Qualität differenziert zu bewerten sind. Aus der Ertragsleistung der Fruchtfolge wird der Flächenbedarf ermittelt – ein wichtiges Kriterium der Landnutzungseffizienz.

Und gibt es hier systembedingte Unterschiede? Oder sind die Betriebe bei der Landnutzungseffizienz wie bei der Klimarelevanz eher breit gestreut?

Bei allen Kriterien, auch bei den Erträgen und der Landnutzungseffizienz zeigt sich eine erstaunliche betriebsindividuelle Variabilität – und dies ist auch gut so, denn es kann auch als ein Zeichen gewertet werden, dass die Betriebsleiter ihre Betriebssysteme an die differenzierten natürlichen Standortpotenziale gut angepasst haben. Es kann auch nicht darum gehen, die Landwirtschaft zu vereinheitlichen oder zu standardisieren, oder in jedem Betrieb die gleiche hohe Ertragsleistung und Effizienz zu erreichen. Wir sollten akzeptieren, dass auf jedem Standort ein bestimmtes Ertragsniveau optimal ist, bei dem auch hohe Umwelt- und Klimaschutzleistungen erbracht werden.

Landwirtschaft und Klimaschutz

Sie wollen wissen, welche Maßnahme wirklich dem Klima nutzt und welche nicht? Einige Hinweise finden Sie in der folgenden Literatur bzw. Websites – allerdings ist zum einen die Forschung noch im Gange, zum anderen sind die betriebsindividuellen Verhältnisse zu beurteilen.

Klimawirkungen und Nachhaltigkeit von Landbausystemen. Untersuchungen in einem Netzwerk von Pilotbetrieben. www.pilotbetriebe.de

Klimaschutz auf Biobetrieben. FiBL-Merkblatt www.fibl.org/de/shop/1552-klimaschutz.html

Leistungen des ökologischen Landbaus für Umwelt und Gesellschaft. Thünen Report 65: www.thuenen.de/media/publikationen/thuenen-report/Thuenen_Report_65.pdf

Klimaschutz in Zahlen (2020). Broschüre des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Pools/Broschueren/klimaschutz_zahlen_2020_broschuere_bf.pdf

Klimaschutz in der Landwirtschaft; Emissionsminderung in der Praxis. KTBL Heft 119, KTBL Darmstadt 2017, 9 €