Schwerpunkt
Apfelhühner
Dauerkultur mit Hühnerhaltung kombiniert
von Reinhard Gessl
Wir haben gemerkt, dass uns durch die Professionalisierung etwas an Lebendigkeit verloren ging.” Irene Trummer
Hans und Irene Trummer sind begeisterte Bio-Obstbauern in der Steiermark, im Südosten Österreichs. Seit der Demeter-Zertifizierung im Jahr 2018 belebt eine Schar „Apfelhühner“ die bis dahin hochspezialisiert geführten Apfelplantagen. Beim Treffen der internationalen biodynamischen Obstbaufachgruppe 2023 erzählten sie ihre Geschichte, wie die Hühner in die Plantagen kamen und welch große Bereicherung das mit sich brachte.
„Sehr erfreulich, in den letzten 15 Jahren hat sich der Bio-Obstbau prächtig entwickelt“, erzählt Hans Trummer. „Die Nachfrage nach hochqualitativem Bio-Obst ist rasant gestiegen. Wir haben unseren Betrieb spezialisiert und die Arbeitsabläufe optimiert, um den Anforderungen gerecht zu werden. Mit dem Nebeneffekt, dass wir uns vom ursprünglich bunt gemischten Betrieb weg entwickelt haben, hin zu einem Spezialbetrieb mit praktisch nur mehr einer einzigen Marktfrucht. Das bedeutete in der Praxis: eine Frucht, ein Erntezeitpunkt, immergleiche Arbeitsabläufe etc. Wir begannen, wieder ‚konventioneller‘ zu denken.“
Für die Vermarktung und die Weiterentwicklung der Bio-Idee ist Familie Trummer an der "Von Herzen Biobauern GmbH" beteiligt. Diese einzigartige Verbindung zwischen Produzenten, Packhäusern und dem Lebensmittelhandel wurde bereits 2008 von den Bio-Obst-Bauern der Region gegründet. Die innovative Gruppe vermarktet aktuell jährlich mehr als 25.000 Tonnen Bio-Äpfel und -Birnen von 110 Mitgliedsbetrieben. Seit 2019 steigen die Demeter-Anteile kräftig.
Demeter-Zertifizierung als Auslöser
„Wir haben in unserer tagtäglichen Arbeit gespürt, dass mit der Professionalisierung dem Bio-Obstgarten und damit dem Obst – im Endeffekt auch uns – etwas an Lebendigkeit verloren gegangen ist und weiter verloren geht“, erinnert sich Irene Trummer. Ähnliche Wahrnehmungen hatten auch benachbarte Arbeitsgruppenkollegen gemacht. Also setzten sich fünf Familien zusammen und fanden in Diskussionen Gefallen an den biodynamischen Prinzipien. Die Demeter-Zertifizierung gab den entscheidenden Anstoß, wieder Nutztiere in den Hoforganismus integrieren zu wollen. Auch wenn die Demeter-Richtlinien für Dauerkulturbetriebe eine Ausnahme von der Tierhaltungsverpflichtung machen.
Die frischen Demeter-Betriebe starteten eine offensive Suche nach den „richtigen“ Tieren, die die notwendigen Abläufe in den Obstplantagen positiv ergänzen. Das Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL wurde eingeladen, diesen wichtigen Schritt hin zum konsequenten Demeter-Hoforganismus als Türöffner zu begleiten. Die Entscheidung fiel schlussendlich auf Hühner (Legehennen), die direkt in den Obstplantagen leben dürfen. Anfang 2020 standen die Eckdaten fest und auf vier Betrieben wurden Ställe gebaut und sogenannte „Apfelhühner“ zogen ein.
Mit gutem Beispiel vorangehen
Seither beleben Apfelhühner in mobilen Kleinställen die Obstanlagen. Im Sommer 2023 traf sich die internationale biodynamische Obstbaufachgruppe in der Steiermark. Hans und Irene Trummer nutzten die gute Gelegenheit, ihr spezielles Agroforst-Modell 35 interessierten Demeter-Kollegen vorzustellen. Sie zeigten, dass die Integration von Nutztieren in Dauerkulturen mit Mehrwert sehr gut in der Praxis umsetzbar ist.
Folgende Eckpfeiler der Apfelhuhnhaltung wurden hervorgehoben:
Mobile Kleinställe: Die Freilandhaltung erfolgt in wintertauglichen, mobilen Kleinställen für 40-60 Tiere nach den Vorgaben der EU-Bio-Verordnung. Je Betrieb werden weniger als 350 Tiere gehalten.
Großzügiger Grünauslauf: Jedem Apfelhuhn steht eine bewachsene Dauerkulturfläche von mind. 100 m² zur Verfügung. Vor allem während der Vegetationsperiode können die Hühner einen beträchtlichen Anteil ihres Nährstoffbedarfs im Obstgarten abdecken. Die Hühnerhaltung direkt in der Obstanlage ist zudem die natürlichste Möglichkeit, den Schädlingsdruck v. a. von Apfelsägewespe und auch Apfelwickler im Entwicklungsstadium zu unterbrechen.
Nachnutzungs- oder Rassehühner: Apfelhühner sind ausgestallte Nachnutzungstiere aus Bio-Freilandhaltungen, eigene Nachzucht oder Rassehühner. Die Tiere brauchen in ihrer verlängerten Legeperiode nicht so intensiv gefüttert werden, ideal sind Ausputzgetreide ergänzt mit einem Eiweißfutter.
Direktvermarktung der Eier: Die Eier der Apfelhühner dienen der Selbstversorgung und der unsortierten Abgabe direkt an Endverbraucher. Die Apfelhühnerhaltung ist nicht kommerziell und unterliegt somit nicht Beschränkungen gemäß GlobalGAP.
Erhöhung der Biodiversität: Die Dauerkulturflächen stellen durch das v. a. in der Vegetationsperiode reiche natürliche Futterangebot sowie die Überdeckung durch die Bäume/Sträucher und durch Hagelschutznetze einen idealen Lebensraum für eine artgemäße, extensive Geflügelhaltung dar.
Seit 2021 sind die fünf innovativen Apfelhuhn-Betriebe Österreichs Beitrag zum EU-Projekt MIXED. Unter der Koordination der Universität für Bodenkultur (BOKU Wien) wurde seither eine Vielzahl betriebsspezifischer Daten erhoben und ausgewertet. Ein Apfelhuhn-Handbuch gibt interessierten Bio-Bauern Anleitungen zur praktischen Umsetzung. Ein kleiner Auszug der bisherigen Erkenntnisse:
Medien und Konsumenten sind von den Hühnern in den biodynamischen Obstgärten begeistert.
Die Bio-Eierproduktion mit Nachnutzungshühnern im reichhaltigen Lebensraum der Bio-Obstplantagen ist konsequent tiergerecht, vorbildlich ressourcenschonend und nachhaltig und bringt gleichzeitig Ökosystemleistungen für
die Gesellschaft und die Umwelt.Die in der Praxis ausgebrachten biotauglichen Pflanzenschutzmittel mit Kupfer sind laut Analysen für die Qualität der Apfelhuhneier nicht relevant.
Nutztiere im spezialisierten Betrieb sind jedenfalls eine zusätzliche Aufgabe. Entscheidend ist also, welche Nutztiere am besten in den Hoforganismus passen. Zusätzlicher Arbeitsaufwand und auch notwendige Anfangsinvestitionen sind das eine, die tägliche Freude an den pickenden Hühnern unter den Bäumen oder der neue, direkte Kontakt zu Eier-Kunden am Hof sind das andere.
Hans und Irene Trummer wollen die Hühner in den Obstanlagen keinesfalls mehr missen. Auch, weil der Handel und die Konsumenten die umfassende Qualität der Demeter-Äpfel mehr und mehr zu schätzen wissen. Die im österreichischen Supermarkt angebotenen Demeter-Äpfel verkaufen sich hervorragend. Irene Trummer ist von dieser Art der Erwerbskombination überzeugt: „Wollen wir auch in Zukunft mehr saisonale, regionale, ökologisch wertvolle und tiergerecht gewonnene Lebensmittel anbieten, müssen wir das enorme Potenzial unserer landwirtschaftlichen Flächen optimal nutzen. Dauerkulturflächen wie Apfelplantagen oder Weingärten bieten einen idealen Lebensraum für bestimmte Nutztiere. Die biodynamischen ‚Apfelhühner‘ sind ein gutes Beispiel. Folgen Sie dem Beispiel!“
Detaillierte Informationen zur Hühnerhaltung im Obstgarten finden Sie im Apfelhuhn-Handbuch für Bio-Bäuerinnen und -Bauern:
https://projects.au.dk/fileadmin/projects/mixed/Handbooks/Apfelhuhn_Broschuere_A5_K1_web.pdf
Weitere Informationen zum Projekt MIXED (Multi-actor and transdisciplinary development of efficient and resilient MIXED farming and agroforestry systems): https://projects.au.dk/mixed/
Autor
Reinhard Gessl
Nutztierwissenschaftler am FiBL Österreich und Koordinator des österreichischen Apfelhuhnnetzwerks im EU-Projekt MIXED