Schwerpunkt
Imkerei im Klimawandel
Herausforderungen für Bienen und Imker
Autorin:PD Dr. habil. Annely Brandt
arbeitet am LLH-Bieneninstitut Kirchhain,
annely.brandtllh.hessen.de
Im Gegensatz zu vielen Haus- und Nutztieren leben unsere Honigbienen nicht in einem geschützten Haus oder Stall. Sie leben ganzjährig in der freien Landschaft.Im Gegensatz zu vielen Haus- und Nutztieren leben unsere Honigbienen nicht in einem geschützten Haus oder Stall. Sie leben ganzjährig in der freien Landschaft.
Die Bienen sammeln sich ihr Futter selbst und sind auf das angewiesen, was die Natur an Nahrung zu bieten hat. Für Nektar, Pollen und Wasser fliegen sie bis zu sechs Kilometer weit. Ein Bienenvolk deckt also ein Sammelgebiet von über 100 km2 ab. Imkerinnen und Imker können das Nahrungsangebot für ihre Bienen daher nur bedingt beeinflussen – hauptsächlich durch die Wahl des richtigen Standortes für den Bienenstock. Diese Entscheidung bestimmt, ob sich das Bienenvolk gut entwickelt und einen Überschuss, also Honig, produziert. Die Behausungen der Honigbienen sind Sonne, Wind und Wetter ausgesetzt. Dort werden sie auch konfrontiert mit Parasiten, Räubern und Krankheiten. Gleichzeitig sind Honigbienen sehr anpassungsfähig, durch ihre soziale Lebensweise schaffen sie im Inneren des Nests eine klimatisch warme und stabile Umgebung für die Aufzucht ihrer Nachkommen und in Zeiten des Überschusses legen sie Vorräte (= Honig) an und sorgen so für schlechtere Zeiten vor.
Der Klimawandel ist bereits heute deutlich spürbar und betrifft Honigbienen durch ihre ursprüngliche Lebensweise unmittelbar. Es ändern sich die zentralen äußeren Faktoren wie Temperatur und Niederschlag, gleichzeitig nehmen Extremwetterereignisse wie Spätfröste, Hagel und Überschwemmungen zu. Das hat Auswirkungen auf die Nahrungsversorgung, Brutaktivität und Krankheitslast unserer Bienen und berührt so gut wie alle Aspekte der Bienenhaltung – von der Aufstellung, Ernährung, Krankheitsbekämpfung bis hin zu klimaschonenden imkerlichen Betriebsweisen.
Rush Hour im Frühling
Im Frühjahr sehen wir, dass viele Pflanzen bedingt durch die steigenden Temperaturen immer früher beginnen zu blühen. Das führt dazu, dass die Bienenvölker zu Beginn der Saison „überrumpelt“ werden. Bienenvölker brauchen im Februar und März jedoch genügend Zeit, um zu wachsen und individuenstarke Völker zu bilden. Bei frühem Vegetationsbeginn ist die Volksentwicklung noch nicht so weit, dass die Bienen Nektar und Pollen ausreichend nutzen können. Etwas später im Jahr hingegen überlappen sich in einigen Regionen neuerdings wichtige Blühphasen z. B. von Obstbäumen und Raps, und konkurrieren so um die bestäubenden Insekten. Dieser „Rush Hour“ im Blütenangebot folgt oft eine Phase mit wenig Blüten und die Pollenversorgung (Abb. 1) der Bienen kann zu einem Problem werden.
Invasive Arten machen das (Über)leben schwer
Die Varroamilbe (Varroa destructor), ein ursprünglich aus Asien stammender Brutparasit, hat sich mittlerweile weltweit ausgebreitet und verursacht auch in Deutschland jährlich erhebliche Schäden in der Imkerei (Rosenkranz et al., 2010). Ähnlich wie Zecken ernähren sich diese Milben von Bienenpuppen und erwachsenen Bienen und übertragen dabei gefährliche Viren, die die Leistungsfähigkeit der Bienen und des Bienenvolks schwächen. Ohne menschliche Eingriffe können die meisten Bienenvölker nicht mehr überleben – ein von Milben befallenes Volk geht in der Regel innerhalb von drei Jahren ein. Eine regelmäßige Behandlung gegen die Varroamilbe ist daher unerlässlich. Die bisher übliche Sommerbehandlung durch Verdunsten von Ameisensäure im Bienenvolk jedoch führt bei steigenden Temperaturen, wie sie aufgrund der Klima-erwärmung immer häufiger auftreten, zu Problemen. Die Säure verdunstet dann zu schnell und kann infolge der Konzentration sowohl Bienen als auch Bienenkönigin schaden; das Überleben des gesamten Volkes ist gefährdet. Alternative, temperaturunabhängige Behandlungsmethoden wie die komplette Brutentnahme oder die Sommerbrutpause (Abb. 2) sind daher gefragt und finden zunehmend Anwendung in der Praxis.
Neue Fressfeinde wie die Asiatische Hornisse Vespa velutina (Cornelissen et al., 2019), die sehr erfolgreich Bienen jagt, können bei steigenden Temperaturen ebenfalls zu einem zunehmenden Problem für die Imkerei werden. Die aus Südostasien stammende Hornissenart, 2004 in Südfrankreich eingeführt, breitet sich rasch aus und ist seit kurzem auch in Deutschland angekommen. Die überwinternden Königinnen verstecken sich an frostfreien Orten und gründen im folgenden Jahr neue Kolonien. Klimamodellen zufolge hat sie gute Chancen, sich dauerhaft zu etablieren. Schwerwiegende Auswirkungen auf die Bienenhaltung, die Landwirtschaft und die biologische Vielfalt sind zu befürchten. Derzeit wird versucht, die weitere Ausbreitung durch Zerstörung der Nester zu bremsen. Es ist jedoch nicht leicht, die Nester mit teilweise mehreren Tausend Einzeltieren zu finden. Meist werden sie erst im Herbst entdeckt, wenn die Blätter fallen und die tw. medizinballgroßen hellbraunen Nester hoch oben in den Baumkronen sichtbar werden. Für eine wirksame Bekämpfung ist es dann zu spät. Die jungen Königinnen haben das Nest bereits verlassen und gründen im nächsten Jahr ein eigenes Nest. In Frankreich und Italien werden zudem Lockstoff-Fallen getestet. Hornissenfallen haben jedoch oft unerwünschten Beifang: Auch geschützte Tiere, wie die einheimischen Wespen- und Hornissenarten gehen in die Falle. Einen wirklichen Schutz vor diesen Räubern gibt es für Bienenvölker noch nicht.
Winterruhe ade?
Bislang galt es in unseren Breiten als selbstverständlich, dass Honigbienenvölker im Herbst aufhören zu brüten und erst im zeitigen Frühjahr wieder Brutnester anlegen. In den letzten Jahren wird jedoch immer häufiger beobachtet, dass Bienenvölker ohne Unterbrechung durchbrüten. Deshalb haben wir in Kirchhain 2016 damit begonnen, im Rahmen der jährlichen Leistungsprüfung des Instituts die Brutaktivität im Winter zu überprüfen. Seit einigen Jahren erleben wir, dass die Bienenvölker auch im Winter noch aktiv sind. Was bedeutet das für die Gesundheit und Vitalität der Bienenvölker?
Im Sommer leben Honigbienenarbeiterinnen nur wenige Wochen, im Spätsommer/Herbst jedoch entstehen die langlebigen Winterbienen, die mehrere Monate alt werden. Es wird angenommen, dass es für die Langlebigkeit von Winterbienen wichtig ist, dass diese sich schonen und möglichst wenig arbeiten, d. h. keine Nahrung sammeln (Abb. 3) oder Brut pflegen und wärmen. Arbeiten sie im Herbst und Winter zu viel, verkürzt das ihre individuelle Lebenszeit. Auch können sich die Varroamilben als Brutparasiten in dauerbrütenden Bienenvölkern besser vermehren. Eine Brutpause im Winter, z. B. durch das Käfigen der Königin kann da Abhilfe schaffen und bei Bedarf auch mit einer hochwirksamen Winterbehandlung kombiniert werden.
Die Imkerei ist auf vielfältige Weise vom Klimawandel betroffen. Auch wir Imkerinnen und Imker müssen uns „wandeln“ und den veränderten Bedingungen anpassen, um unsere Honigbienen bestmöglich zu unterstützen.
Quellen
- Rosenkranz P, Aumeier P, Ziegelmann B. Biology and control of Varroa destructor. (2010). J Invertebr Pathol. doi: 10.1016/j.jip.2009.07.016.
- Cornelissen B, Neumann P, Schweiger O. (2019). Global warming promotes biological invasion of a honey bee pest. Glob Chang Biol. doi: 10.1111/gcb.14791.