Schwerpunkt
Rinderzucht für Ökobauern


Was kann der Rinderbereich in der ÖTZ leisten?
Autor: Dr. Carsten Scheper
Geschäftsführer Bereichsleiter Rinderzucht Ökologische Tierzucht gGmbH
carsten.scheper(at)oekotierzucht.de
Während die Ökologische Tierzucht gGmbH als Organisation in 2025 ihr zehnjähriges Jubiläum bestreitet, startet der Rinderzuchtbereich in sein fünftes Jahr. Das Jubiläumsjahr steht bei Geflügel und Rind unter dem Motto „Gekommen um zu bleiben“. Nach ungefähr einer Rindergeneration, bezogen auf das Generationsintervall bei natürlicher Fortpflanzung, bietet es sich an auf das zu schauen, was entstanden ist und sich weiterentwickelt.
Eine wichtige Säule der Arbeit im Rinderzuchtbereich der ÖTZ ist der überverbandliche 22-köpfige Beirat aus Züchtern, Beratern und Wissenschaftlern, der die Aufgabe hat, Arbeitsaufträge aus den Gesellschafterverbänden Bioland und Demeter und aus der Biobranche zu sammeln und die ÖTZ bei der Umsetzung und Projektentwicklung mit einem klaren Leitbild zu beraten. Gemeinsam mit dem Beirat konnten so in den ersten fünf Jahren wichtige erste Projekte wie z.B. die Entwicklung unabhängiger Empfehlungen für Besamungsbullen, Projekte zur Sicherung der Zucht horntragender Rinder und die Weiterentwicklung ökologischer Zuchtziele und Gesamtzuchtwerte erfolgreich umgesetzt werden.
Praxisprojekt Ökorinderzucht – Neues Merkblatt Kuhfamilienzucht
Das im Februar 2024 begonnene, von der Software AG Stiftung geförderte fünfjährige Projekt zur Förderung der praktischen Ökorinderzucht ist erfolgreich angelaufen. Wichtige Themenschwerpunkte sind die Vernetzung und Beratung von Betrieben, die Tiere mit Hörnern und/oder alte und bedrohte Rassen züchten und den Natursprung in Verbindung mit der Kuhfamilienzucht anwenden (siehe auch LE 3-2024).
Als ein wichtiges erstes Ergebnis des Projektes wurde in Kooperation mit Anet Spengler-Neff und Anna Bieber vom FiBL Schweiz das kostenlos erhältliche Merkblatt Kuhfamilienzucht (https://www.fibl.org/de/shop/1686-kuhfamilienzucht) überarbeitet und aktualisiert veröffentlicht. Das Merkblatt stellt anschaulich die Grundlagen und Schritte für die Anwendung der Kuhfamilienzucht in der eigenen Herde dar, und eignet sich besonders für biologisch-dynamische Betriebe, die aktiver und systematischer züchten wollen. Die Überarbeitung der weiteren, zuchtbezogenen Merkblätter des FiBL u.a. zur Deckbullenhaltung folgt nun im Anschluss.
Neben Beratung und Wissenstransfer ist auch die aktive Vernetzung der Zuchtbetriebe ein wichtiges Ziel im Projekt. Regionale Vernetzungsveranstaltungen wie im November 2024 in Franken zur Kuhfamilienzucht und Exterieurbewertung sollen den Austausch untereinander anregen und die aktive Zuchtarbeit fördern. Auch in 2025 sind wieder Veranstaltungen und eine Exkursion zum Bio-KB-Stiere Projekt geplant die das gleiche Ziel verfolgen.
Interessierte Betriebe können eine kostenfreie Beratung und Beteiligung am Projekt bei den folgenden Ansprechpartnern erfragen: Martin Haugstätter (martin.haugstaetter(at)demeter-beratung.de, für Baden-Württemberg), Stephan Hamberger (stephan.hamberger(at)demeter-bayern.de) für Bayern, Mabelle Tacke (mabelle.tacke(at)demeter-im-norden.de) für Norddeutschland), Carsten Scheper (carsten.scheper(at)oekotierzucht.de, für West- und Mitteldeutschland und Karola Stier (karola.stier(at)gmx.de) für alte und bedrohte Rassen.

RZÖko und ÖZW: Zusammenarbeit mit Zuchtorganisationen
Wir verfolgen im Rinderzuchtbereich der ÖTZ mit Überzeugung seit Beginn einen überverbandlichen, kooperativen Ansatz, der die Zusammenarbeit mit den bestehenden Zuchtorganisationen sucht, um nachhaltig Strukturen und praxisnahe und -reife Angebote für die ökologische Rinderzucht zu schaffen. Die erfolgreiche gemeinsame Entwicklung und Umsetzung des RZÖko im August 2023 als erstem ökologisch geprägten Gesamtzuchtwert bei Deutschen Holsteins ist ein direktes Ergebnis dieser Bemühungen. Neben dem ÖZW bei Fleckvieh und Braunvieh, an dessen Weiterentwicklung sich die ÖTZ im Arbeitskreis Ökorinderzucht der LfL Bayern aktiv beteiligt, gibt es nun mit dem RZÖko in den zahlenmäßig größten Milchviehrassen Deutschlands praxisnahe Werkzeuge für Bullenauswahl und Selektion, die ökologische Zuchtziele direkt umsetzen.
Wir verfolgen diesen Weg aus der Überlegung heraus, dass es eine aktive und stärkere Beteiligung der Biobranche an den bestehenden Zuchtprogrammen braucht, um die ökologische Rinderzucht nachhaltig zu stärken und zu sichern. Wir bringen die ökologischen Zuchtziele und wichtigen ideellen Aspekte z.B. mit Blick auf den Biotechnologieeinsatz in den Austausch mit den Zuchtorganisationen ein, um nachhaltige Perspektiven für die Weiterentwicklung zu eröffnen. Der Blick in die Schweiz zum Bio-KB-Stiere Projekt (s. Seite 20), das einen ähnlichen Ansatz verfolgt, bestärkt uns darin, dass dieser Weg auch in Deutschland der richtige ist. An der Umsetzung für ein vergleichbares Projekt in Deutschland arbeiten wir aktuell.
Besamungsbullenempfehlungen
Für die Rassen Fleckvieh, Braunvieh und Holstein werden mittlerweile auf Basis der veröffentlichten Ökologischen Gesamtzuchtwerte ÖZW (Fleckvieh und Braunvieh) und RZÖko (Holstein) von der ÖTZ nach der Zuchtwertschätzung unabhängige Empfehlungslisten für ökologische Milchviehbetriebe veröffentlicht. Die Kriterien zur Erstellung der Listen wurden im Beirat entwickelt und werden regelmäßig evaluiert. Die Listen legen aktuell einen starken Schwerpunkt auf töchtergeprüfte Bullen, um eine sichere Vererbung der Kernmerkmale von ÖZW und RZÖko sicherzustellen, Toplisten für aktuelle genomische Bullen sind auch verfügbar und werden verlinkt. Speziell für Demeter-Betriebe werden zusätzlich Listen mit richtlinienkonformen Bullen (ET frei und horntragend) veröffentlicht.
Neue Listen, auch in weiteren Rassen, sind kontinuierlich in der Entwicklung und werden nach und nach ergänzt. Die Empfehlungslisten sind für alle Praxisbetriebe verfügbar unterhttps://oekotierzucht.de/de/bullenempfehlungslisten/
Für praktische Rückmeldungen und Anregungen zu den Listen sind wir sehr dankbar. Melden Sie sich dazu gerne jederzeit beim Autoren.
Neues Nutzkälberprojekt
Seit Januar 2025 läuft über die ÖTZ das Projekt „Koordinationsstelle für die verstärkte Inwertsetzung von Bio-Nutzkälbern (Milchviehkälbern) innerhalb von Bio-Fleisch-Wertschöpfungsketten“ (WSNuKa). Die ÖTZ hat sich dafür gemeinsam mit der Brudertier-Initiative Deutschland (BID) mit engagierten Kooperationspartnern aus der Wertschöpfungskette zusammengetan, um ausgehend von Norddeutschland Lösungen zu entwickeln, um mehr Nutzkälber aus ökologischer Milchviehhaltung auch ökologisch vermarkten zu können und nicht an konventionelle Strukturen abgeben zu müssen. Projektpartner sind neben ÖTZ und BID, der Bioland-Landesverband Niedersachsen/Bremen, Demeter im Norden, der Meedehof, Hof HimP, Besserfleisch und die Elbtaler Hofschlachterei.
Die Koordinationsstelle soll durch regionale und überregionale Vernetzung von Akteuren entlang der Wertschöpfungskette den Aufbau von verlässlichen Partnerschaften fördern, so dass Wertschöpfungsketten für Milch- und Fleischprodukte aus ökologischer Erzeugung in ausgewogenem Verhältnis zueinander (weiter) entwickelt werden können, in denen die Kälber innerhalb des ökologischen Systems wirtschaftlich tragfähig aufgezogen und gemästet werden.
Das Projekt läuft drei Jahre und wird über das Bundesprogramm ökologischer Landbau (BÖL) vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gefördert. Bei Interesse an der Vernetzung und weiteren Infos zum Projekt melden Sie sich gerne bei May-Britt Wilkens (may.wilkens(at)oekotierzucht.de) und Lisa Minkmar (lisa.minkmar(at)oekotierzucht.de) die für das Projekt in der ÖTZ zuständig sind.

Hörnerzucht und Biotechnologien – aktuelle Entwicklungen
Die Zucht hornloser Tiere und die Verwendung von Hornlosvererbern nimmt weiter zu, aktuell vor allem in der Fleischrinderzucht. Auch wenn die vom Demeter-Verband frühzeitig beauftragten Prognosen nicht in der damals erwarteten Dynamik eingetroffen sind, ist die Entwicklung auch in der Milchrinderzucht weiterhin progressiv. Die ÖTZ versucht, dieser Entwicklung im Bereich Rinderzucht mit den laufenden Projekten aktiv zu begegnen, im gemeinsamen Bewusstsein, dass die genetische Grundlage für Hörner tragende Zuchttiere erhalten werden muss. Obwohl auch Hornloszüchter sich in der ÖTZ engagieren, ist dies Konsens im Beirat.
Die Zahl der für Demeter-Betriebe richtlinienkonformen Bullen wird zunehmend eingeschränkt: Neben der Hornloszucht ist dies vor allem bedingt durch die rasante Entwicklung beim Einsatz von Biotechnologie in der Zucht, besonders durch Embryotransfer. Für die Praxisbetriebe steigt der Aufwand, richtlinienkonforme Bullen für den Einsatz zu finden, auch weil die Kennzeichnung von „ET-Bullen“ nicht in allen Rassen gleich und transparent geregelt ist. In der ÖTZ reift daher die Idee, im Rahmen der angestrebten Kooperationen verbandsübergreifend auf die Zuchtunternehmen zuzugehen, um mehr Transparenz z.B. in Form einer freiwilligen Kennzeichnung oder Zertifizierung, wie es sie in Neuseeland für Öko-Bullen gibt, zu erreichen. Die Demeter-Fachgruppe Forschung & Entwicklung hat den Delegierten dazu ein aktuelles Diskussionspapier vorgelegt.
Quellen
1) Neues Rinderzuchtprojekt begonnen. Horntragende Rinderzucht sichern, Kuhfamilienzucht und alte Rassen. Lebendige Erde 3-2024
2) Merkblatt – Kuhfamilienzucht. Eine Methode für die biologische Milchviehzucht. FiBL, BioSuisse, Demeter, ÖTZ, Naturland. 2024. Verfügbar unter:https://www.fibl.org/fileadmin/documents/shop/1686-kuhfamilienzucht.pdf
3) Horntragende Rinderzucht sichern – Eine Status-Quo-Analyse der Zucht hornloser Milchrinder. Lebendige Erde 1-2017
AUSBLICK
- Die ÖTZ arbeitet auf eine verbindliche Kooperation mit den Zuchtorganisationen und ein Bio-KB-Stiere Projekt in Deutschland hin.
- Die Website Hornkuh.de wird im Rahmen der neuen Homepage der ÖTZ und im Zusammenhang mit dem SAGST-Projekt bis Mitte 2025 überarbeitet. Hier findet man dann Hinweise zu Haltung und Züchtung sowie andere Züchter horntragender Tiere. https://oekotierzucht.de/de/rinderzucht/
- In der Rinderzucht werben wir um ein gemeinschaftliches Vorgehen mit den anderen Ökoverbänden – die ÖTZ ist bisher eine von Bioland und demeter getragene Organisation - und wollen für alle Öko-Rinderhalter ein Angebot aufbauen bzw. laden sie zur Mitarbeit am gemeinsamen Ziel einer Öko-Rinderzucht ein.
- Die ÖTZ als gemeinnützige GmbH wird sich wahrscheinlich umstrukturieren müssen, um gemeinnützige und gewerbliche Aktivitäten zu trennen.